Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
Vom Netzwerk:
Gottes Rechter finden würden, wenn die Engel uns dereinst an die himmlische Tafel führen.«
    »Amen«, erwiderte ich glücklich. »Mit Nurmal an seiner Seite könnte Gott sich keinen besseren Tischgenossen wünschen.«

    rSr s war noch dunkel, als wir das heimelige Haus verließen. Bei Sonnenaufgang hielten wir für den ersten Schluck Wasser eines langen, heißen Tages an. Der Nachthimmel wurde zunächst milchig grau, dann gelb und schließlich blau. Als dann die ersten Sonnenstrahlen in die Täler drangen und einzelne Hügel in der dunklen, gebirgigen Masse um uns herum zu erkennen waren, spürten wir die Hitze, die sich in Wellen über das Land ergoss. Sofort schwangen wir uns wieder in die Sättel, um so weit wie möglich vorwärts zu kommen, bis die Hitze uns zwingen würde, anzuhalten und auf den Sonnenuntergang zu warten.
    Während des Ritts dachte ich an all jene, die ich in Schottland zurückgelassen hatte - an meine Mutter und meinen Vater, an Abt Emlyn und an alle anderen -, und ich dachte natürlich auch an dich, liebste Cait; an dich dachte ich vor allem, ich wusste, dass Murdo und Ragna gut auf dich Acht geben würden - besser vermutlich, als ich es hätte tun können, wäre ich dort gewesen. Dennoch plagten mich Schuldgefühle, weil ich dich verlassen hatte, und ich wünschte, ich wäre ein Adler oder eine Möwe, um über das Meer zu fliegen und zu sehen, womit du dir gerade die Zeit vertriebest. Dir galten alle meine Gedanken, und ich versuchte mir vorzustellen, wie sehr du wohl gewachsen warst, seit ich dich zum letzten Mal gesehen hatte. Und dann, mein Herz, bat ich den Hohen König des Himmels, drei Engel zu senden, auf dass sie bis zu meiner Rückkehr Tag und Nacht über dich wachen mögen.
    Ja, auf dieser rauen Straße inmitten der zerklüfteten, staubigen Hügel waren alle meine Gedanken aufdie Heimkehr ausgerichtet, und ich empfand den Schmerz, den Padraig hiraeth nennt, die unstillbare Sehnsucht nach der Heimat. Ich spürte ihn in meinem Herzen, als hätte irgendetwas mir die Seele selbst zerrissen und als wehe nun ein kalter, bitterer Wind hindurch. Zum ersten Mal, seitdem ich Caithness verlassen hatte, wünschte ich mir, bereits wieder auf dem Heimweg zu sein.
    Erst kurz nach Mittag fanden wir einen geeigneten Ort, wo wir unsere Wasservorräte auffüllen und bis zum Abend warten konnten. Die Bäume hier waren klein und stachelig; sie wirkten wie mit Dornen bedeckte Eichen, und sie waren gerade groß genug, dass ein, zwei Mann unter ihnen Platz fanden. Auch die Fliegen mochten den Ort, und sie plagten uns endlos, doch zumindest vermochten die schmalen, ledernen Blätter uns vor der Sonne zu schützen. Wir banden die Pferde an langen Leinen fest, sodass sie grasen konnten, wo immer sie etwas zu fressen fanden; dann zogen wir uns in den Schatten zurück.
    Seit mehreren Tagen hatte ich schon nicht mehr unter vier Augen mit Jordanus gesprochen, doch inzwischen gingen mir einige Fragen im Kopfherum. Also setzte ich mich zu ihm unter den Baum, den er sich ausgesucht hatte. Er freute sich über meine Gesellschaft, und wir begannen zu reden. »Es gibt da etwas, das ich Euch fragen wollte, seit wir Famagusta verlassen haben«, sagte ich.
    »Eine unbeantwortete Frage ist wie Zahnschmerzen; sie kann nur geheilt werden, indem man sie stellt«, erwiderte er und drehte sich zu mir um. »Was bedrückt Euch denn nun, mein Freund?«
    »Warum tut Ihr das?« Er blickte mich verwirrt an, und so fügte ich hinzu: »Schiffe, Vorräte und nun Pferde ... all das. Warum helft Ihr uns?«
    »Ah, nun«, antwortete er. »Darf ein Mann einem Freund in der Not denn nicht mehr helfen?«
    »Verzeiht mir, Jordanus, aber da muss mehr dahinter stecken.« In diesem Augenblick kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht gar nicht der Freund war, von dem er sprach. »Es ist wegen de Bracineaux«, vermutete ich. »Er hat uns zu Euch geschickt, weil er wusste, dass Ihr so handeln würdet. Aber warum? Was ist da zwischen Euch, dass Ihr solches Interesse an seinen Angelegenheiten zeigt?«
    Jordanus lehnte sich an den knorrigen, kleinen Stamm, legte müde den Kopf gegen die schwarze Rinde und blickte über das schmale braune Tal hinweg, das im Dunst der Mittagssonne waberte. In dem nun folgenden Schweigen tönte das Summen der Fliegen geradezu unglaublich laut. Ich beschloss, den alten Mann nicht zu drängen, sondern ihm Zeit zu lassen.
    Schließlich atmete er tiefdurch und erklärte mit einer Stimme voller Trauer und Schwermut: »Ich

Weitere Kostenlose Bücher