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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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tue es für meinen Sohn.«
    »Ihr habt ihn schon früher erwähnt«, sagte ich und versuchte, es dem alten Mann leichter zu machen, darüber zu sprechen. »Ihr müsst ihn sehr geliebt haben.«
    »Sein Name war Julian«, sagte Nurmal. Der Pferdehändler hatte den Beginn unseres Gesprächs zufällig mitgehört, und nun gesellte er sich zu uns und brachte uns einen Wasserschlauch und einen Holzbecher. »Darf ich?«
    »Bitte.« Jordanus nickte, klopfte auf den Boden neben sich, und Nurmal setzte sich. »Julian war ein Mensch, der die Hoffnungen eines jeden Vaters erfüllt hätte, der auf den Fortbestand und die Ehre seines Familiennamens bedacht ist«, fuhr Jordanus in stolzem Tonfall fort. »Er war meine ganze Hoffnung und meine Freude.«
    Dann beschrieb der alte Händler die unglücklichen Ereignisse während ihrer letzten Tage in Damaskus. Seiner Einschätzung nach hatte der ganze Ärger mit dem Fall von Jerusalem begonnen, der sowohl die Seldschuken als auch die Sarazenen über die Maßen entsetzt hatte. Über Nacht war alles, was bis dahin als unumstößlich gegolten hatte, zusammengebrochen; die ganze Welt schien kopfüber ins Chaos gestürzt zu sein, und aus diesem Chaos entstanden neue und manchmal gefährliche Bündnisse. Überall trafen die Herrscher der alten Ordnung Abmachungen mit jedem, der ihnen auch nur die geringste Hoffnung aufSchutz vor dieser Vielzahl neuer Gefahren versprach, von denen beinahe täglich neue auftauchten.
    »In Damaskus war es nicht anders«, erzählte Jordanus. »Atabek Toghtekin hielt so lange stand, wie er konnte. In seiner Blütezeit ist er ein fähiger Herrscher gewesen, aber am Ende seiner Tage machten ihm Alter und Gesundheit schwer zu schaffen. So verbündete er sich mit den Fedai'in.«
    Das Wort erregte meine Aufmerksamkeit, und ich erinnerte mich daran, was mir Sydoni und Roupen über diese finstere Sekte erzählt hatten.
    Jordanus sah, dass ich den Namen kannte, und sagte: »Wie ich sehe, habt Ihr von ihnen gehört.«
    »Sydoni hat sie erwähnt; sie nannte sie Mörder und erzählte mir, dass sie einem geheimen Glauben anhängen, doch sagte sie nicht, was für ein Glaube das ist.«
    »Sie sind Muslime«, erklärte Jordanus, »doch solche der strengen, übereifrigen Art. Es ist ihr größter Wunsch, alle Mohammedaner im Glauben und unter einem Herrscher vereint zu sehen. Um dieses Ziel zu erreichen, tun sie alles. Selbst vor dem Martyrium schrek-ken sie nicht zurück.«
    »Dann sind es sehr gefährliche Männer«, bemerkte ich.
    »Sie sind mörderisch«, berichtigte mich Nurmal. »Besonders wegen des Haschisch.«
    »Des Haschisch?« Ich hatte das Wort noch nie zuvor gehört, und so fragte ich, was das wohl sein mochte.
    »Oh, Haschisch ist ein sehr starkes Kraut, das man auf vielerlei Art verwenden kann. Die Fedai'in essen es oder rauchen die getrockneten Blätter in Pfeifen. Es ist sehr wirkungsvoll, und es macht sie so tapfer, dass es an Torheit grenzt. Unter dem Einfluss von Haschisch fürchten sie sich vor nichts«, erklärte mir Nurmal. »Das ist auch der Grund, warum manche sie Haschischin nennen. Sie selbst hassen diesen Namen.«
    »Das ist wahr«, bestätigte Jordanus. »Weder der Tod hält Schrecken für sie bereit, noch das Leben danach. Sie opfern alles für ihren Glauben, denn sie halten sich für Gottes Werkzeug; sie glauben, göttliche Gerechtigkeit zu üben.«
    »Indem sie ihre Feinde töten.«
    »Indem sie jeden niedermetzeln, der sich ihren Intrigen wider setzt«, stellte Jordanus klar. »Sie sind inzwischen überall, und überall werden sie gefürchtet. Wie Gott sehen und hören sie alles, und wie Gott halten sie Gericht über die Menschen.«
    »Und ihr Urteil lautet stets gleich«, fügte Nurmal hinzu. »Schuldig.«
    »Ihr habt gesagt, sie seien nach Damaskus gekommen«, warf ich ein, um die Geschichte wieder zu ihrem Anfang zu führen.
    »Ja, und das war das Schlimmste, was dieser bewundernswerten Stadt je widerfahren ist. Als Gegenleistung für ihre Hilfe bei der Verteidigung hatte man ihnen Zuflucht in Damaskus gewährt. Warum der alte Toghtekin sich aufdiesen Handel eingelassen hat, werde ich nie verstehen. Sicherlich hat er geglaubt, es sei besser, sie im Zelt zu haben, damit sie hinauspissen konnten, als umgekehrt. Ich weiß es nicht.
    Aber wie jedermann leicht hätte vorhersehen können, erwies sich diese Entscheidung als verheerend. Einmal innerhalb der Stadtmauern nisteten sich die Fedai'in überall ein - wie Parasiten. Innerhalb nur weniger Monate

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