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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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war kein Trotz mehr in ihrem Blick zu sehen; vielmehr schien sie mich abschätzen zu wollen.
    »Er hat mir tatsächlich ein wenig erzählt«, antwortete ich. »Er hat auch von Julian gesprochen.«
    »Dann hat er Euch viel erzählt«, erwiderte Sydoni und drehte sich wieder zum Feuer um.
    »Ich habe ihn gefragt, warum er uns hilft, und er hat geantwortet, er täte es für seinen Sohn - für Julian.«
    Sydoni schien einen Augenblick lang darüber nachzudenken. »Nein«, sagte sie schließlich. »Welchen Grund er auch immer haben mag, mit Julian hat das nichts zu tun.«
    »Tut er es dann vielleicht aus Stolz?«, fragte ich. Es war das Letzte, wovon ihr Vater gesprochen hatte, und ich hoffte, sie wusste, was er damit hatte sagen wollen.
    »Vielleicht«, gestand sie mir zu. »Ihr müsst wissen, dass mein Vater beinahe der Statthalter von Damaskus geworden wäre.« Sie blickte kurz zu mir herüber. »Wie ich sehe, hat er Euch das nicht erzählt.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Es ist aber wahr. Julian war dagegen. Er drängte Vater bei mehreren Gelegenheiten, die Stadt zu verlassen, doch Jordanus weigerte sich. Er hatte sich nun einmal in den Kopf gesetzt, Statthalter zu werden.«
    »Er gab den Fedai'in die Schuld an allem«, bemerkte ich.
    »Natürlich«, erwiderte Sydoni in einem Tonfall, als wäre das das Offensichtlichste von der Welt. »Wären sie nicht gewesen, wäre das alles nicht geschehen. Sie waren es, die meinen Vater als Statthalter sehen wollten.«
    Das ergab keinen Sinn für mich. »Aber ich dachte, die Fedai'in seien Mohammedaner«, sagte ich, »und Jordanus hat mir erzählt, sie seien die Herrscher der Stadt gewesen.«
    »Schschsch«, zischte Sydoni. »Sprecht leise, sonst weckt Ihr noch alle. Seid still, und ich werde Euch erzählen, wie es war.« Sie zog ihre langen Beine an, schlang die Arme um die Knie und starrte in die Glut, als läge dort die Vergangenheit verborgen. Dann beschrieb sie ihre letzten Tage in Damaskus.
    »Der Atabek.«
    »Toghtekin?«
    »Ebender. Er war ein alter, kranker Mann, der mit jedem Tag schwächer wurde. Als Wesir diente ihm damals ein Mann namens al-Maz-daghani - ein ekelhafter Stiefellecker, der sich mit den Batinis verbündete. Schließlich kam der Tag, da der Atabek sich nicht mehr von seinem Bett erheben konnte. Als er sah, dass er sterben würde, gab Toghtekin den Titel an seinen Sohn Buri weiter. Die Emire stimmten dieser Entscheidung freudig zu, denn Buri hatte geschworen, die Stadt von den verhassten Fedai'in zu befreien. Und das«, erklärte Sydoni mit Leidenschaft, »war der Punkt, an dem der Ärger begann.«
    Sie sprach ruhig und offen, und ich hatte Freude daran, ihr zuzuhören.
    »Die Fedai'in betrachteten sich als die einzigen wahren Muslime«, fuhr Sydoni fort, »und in ihren Augen waren Buri und seine Emire gottlose Ungläubige. Während Toghtekin immer schwächer wurde, übernahm der Sohn mehr und mehr die Macht des Vaters, und schließlich unternahm er die ersten Schritte, den verhassten Kult auszurotten. Das versetzte die Fedai'in natürlich in Unruhe, zumal sie geglaubt hatten, den neuen Atabek genauso leicht kontrollieren zu können wie seinen Vater.
    Je mehr Buri seine Macht ausübte, desto mehr fürchteten die Fe-dai'in, den einzigen Ort zu verlieren, an dem man sie je willkommen geheißen hatte. Schon bald wurden sie öffentlich angegangen und kurz darauf sogar gejagt. In ihrer Verzweiflung suchten sie nach einem Beschützer, der ihr Überleben sichern konnte. Insgeheim -die Fedai'in sind die Meister der Heimlichkeit - sandten sie daher einen Gesandten nach Edessa.«
    Bei der Erwähnung der früheren Heimat meines Onkels Torfin Outremer hörte Sydonis Erzählung plötzlich auf, eine Geschichte aus der Vergangenheit zu sein; sie betrafmich nun unmittelbar, wurde wirklich. »Balduin«, murmelte ich.
    »Balduin II.«, fügte Sydoni hinzu. »Die Fedai'in boten dem Gra-fen an, ihm die Stadt im Tausch für Tyros auszuliefern. Welcher Fürst hätte solch einem Angebot widerstehen können? Aber Balduin war ein vorsichtiger Mann. Er antwortete, dass die Christen der Stadt sich unter einem Führer vereinigen müssten, falls sie sein Eingreifen wünschten.
    So kamen sie eines Nachts in unser Haus.« Die Erinnerung ließ Sydoni erschauern. »Sechs Männer ganz in Schwarz mit langen, gekrümmten Schwertern und gekreuzten Dolchen im Gürtel. Sie fragten nach Jordanus Hippolytus und erklärten, sie hätten ein Angebot für ihn, das er vielleicht einmal

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