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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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geschieht östlich des Taurus, ohne dass Nurmal von Mamistra etwas damit zu tun hat.« Dann lachte er, doch Nurmal lächelte nur.
    »Ihr übertreibt, Thoros«, protestierte er. »Aber das macht nichts. Ich bin froh zu helfen, wo ich kann.«
    In diesem Augenblick erschien auch der Rest unserer Reisegruppe, und alle wurden nacheinander vorgestellt. Die meiste Aufmerksamkeit galt Padraig; die Armenier hatten noch nie einen Mönch gesehen, der nicht in Schwarz gewandet war, und so weigerten sie sich zunächst zu glauben, dass es sich bei ihm um einen Priester handelte. Jordanus und Sydoni wurde ebenfalls besondere Aufmerksamkeit zuteil, und mir entging nicht, dass Thoros ungewöhnlich lange über Sydonis Hand verweilte, als er sie und ihren Vater willkommen hieß. Dann dankte Thoros höflich allen, dass sie sich um seinen Bruder gekümmert und ihm bei der Rückkehr nach Hause geholfen hatten.
    »Gott wird Euer Wohlwollen durch seine Engel belohnen«, erklärte er, »doch das Haus von Anavarza wird Eure Taschen mit Gold füllen!« Mit diesen Worten schloss er alle in einer Armbewegung ein, als wären wir Kinder. »Kommt jetzt, meine Freunde! Lasst uns hineingehen. Der Fürst wird wissen wollen, dass sein verlorener Sohn endlich heimgekehrt ist.«
    Einmal innerhalb der mächtigen Stadtmauern wurden wir ohne Umschweife zum Palast geführt, der sich jenseits eines kleinen Platzes hinter dem Tor erhob. Der Palast selbst war wie eine Kirche gebaut und wurde von zwei Türmen flankiert, deren Kuppeln von goldenen Kreuzen gekrönt waren.
    Als wir über den Platz gingen, bemerkte ich, dass hier nur wenige Leute unterwegs waren. Auch in den angrenzenden Straßen schien keinerlei Betriebsamkeit zu herrschen - hier und da spielten ein paar Kinder; eine alte Frau trug einen Korb Gemüse, und Männer schoben Karren vor sich her, doch entsprach dies nicht im Mindesten der Geschäftigkeit, wie man sie von einer Stadt wie Anavarza erwarten würde. Ich war nicht der Einzige, der die Abwesenheit der örtlichen Bevölkerung bemerkte. Nurmal, der gelassen neben Thoros einhermarschierte, fragte plötzlich: »Verstecken sich alle? Wo sind die ganzen Leute hin?«
    »Wie es der Zufall will«, antwortete Thoros, »befinden wir uns im Alarmzustand. Seldschukische Banditen sind in den Hügeln gesichtet worden, und nun fürchtet man, dass ein Angriff unmittelbar bevorsteht.« Der große Mann warf mir einen kurzen Blick zu. »Wollt Ihr mir etwa sagen, Ihr hättet keine Spur von ihnen gesehen?«
    »Nein, Herr. Nicht einen Turban zwischen hier und Mamistra«, berichtete ihm Nurmal.
    »Nun, sie sind aber dort draußen. Unsere Späher sagen, dass die Hügel voll von ihnen sind. Ihr könnt von Glück sagen, dass Ihr dem Emir Ghazi nicht höchstpersönlich in die Arme gelaufen seid.«
    »Ghazi also«, sinnierte der Pferdehändler. »Was hat der alte Teufel hier herumzuschnüffeln? Habt Ihr vergessen, ihm Tribut zu zahlen?«
    Thoros lachte von ganzem Herzen und antwortete: »In letzter Zeit hatten wir andere Dinge im Kopf.«
    Sie fuhren mit diesem Gespräch fort, doch meine Aufmerksamkeit wanderte zu Roupen und Konstantin hinter mir. »Was ist mit ihm los?«, fragte Roupen. Auch wenn er leise sprach, so bemerkte ich doch, wie besorgt er war.
    »Er fühlt sich nicht gut«, antwortete sein Bruder. »Die Ärzte haben getan, was sie konnten, doch niemand weiß, was ihm fehlt.«
    »Wie lange schon?«
    »Vier Monate«, erklärte Konstantin. »Vielleicht auch ein wenig länger. Es gibt keine Hoffnung mehr; er leidet immer noch. Der alte Krieger will nicht aufgeben.« Der junge Mann hielt kurz inne; dann fügte er hinzu: »Er wird froh sein zu erfahren, dass du endlich nach
    Hause zurückgekehrt bist. Was ist mit den anderen geschehen?«
    »Im selben Augenblick, da wir den Fuß ins Frankenland setzten, befiel uns das Fieber. Ich bin ihm entkommen, doch der Rest ist ihm zum Opfer gefallen.«
    »Dem Fürsten ist es ähnlich ergangen«, bemerkte Thoros düster.
    So erfuhr ich nach und nach, was zur Abschottung der königlichen Stadt geführt hatte: Fürst Leo war todkrank, und den fälligen Tribut an die Mohammedaner hatte man auch nicht gezahlt. In der Folge davon waren ihre seldschukischen Herren wütend geworden, und jene, die ihre Verbündeten und Beschützer hätten sein sollen, sammelten sich in den Hügeln zum Angriff. Und die Armenier, denen schon von den Seldschuken Böses drohte, sollten nun zudem noch die unangenehme Nachricht erhalten, dass auch das Heer

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