Der Gast des Kalifen
Tür«, berichtete Nurmal. »Er sagte, sie müssten dringend nach Anavarza und dass er dafür Pferde für sich und seine Freunde benötige. Nachdem ich herausgefunden hatte, wofür sie meine Pferde brauchten, was hätte ich da anderes tun sollen, als sie zu ihrem Ziel zu begleiten, damit sie sicher dort ankommen?«
»Ihr wolltet nur Euren Einsatz beschützen«, sagte Thoros und wedelte wissend mit dem Finger. »Ich kenne Euch.«
»Das will ich nicht leugnen«, erwiderte Nurmal. »Aber da ist auch noch mehr.« Er stellte den Becher beiseite und blickte mich an. »Sagt es ihm, Duncan«, bat er mich, und seine Stimme nahm einen ernsten Tonfall an.
Thoros nippte an seinem Wein und betrachtete Padraig und mich wohlwollend. »Ja, was auch immer Ihr zu sagen habt, sagt es dem guten Thoros. Ich würde gern ein paar Neuigkeiten aus der Welt erfahren.«
Padraig musste mich nicht drängen, die Botschaft auszusprechen, die zu überbringen wir unter großen Mühen so weit gereist waren. »Herr, leider bringe ich Euch keine guten Neuigkeiten«, begann ich und berichtete, wie ich von Bohemunds Wunsch erfahren hatte, die alten Grenzen des Fürstentums Antiochia wiederherzustellen. »Er ist mit seinem Heer bereits hierher unterwegs«, schloss ich, »und er beabsichtigt, die Stadt zu nehmen.«
Thoros nahm die Nachricht bemerkenswert gut auf. »Das weiß ich bereits«, erklärte er unbekümmert und schenkte uns Wein nach. »Roupen hat es mir erzählt. Aber natürlich ist er bekannt dafür, dass er mitunter etwas . na, sagen wir, er übertreibt bisweilen. Ich freue mich zu hören, dass das diesmal nicht der Fall ist.« Er lächelte, als wolle er die Nachricht als unbegründetes Gerücht abtun.
»Das ist eine Tatsache«, meldete sich Padraig zu Wort. »Herr Duncan und ich haben es von Bohemunds Lippen selbst gehört. Wir haben ihn angefleht, im Namen Gottes von diesem Plan abzulassen.«
Die Erklärung des Priesters schien Thoros nun wirklich zu beeindrucken. Er fragte, wie das gekommen sei, und so erzählte ich ihm von unserer Begegnung mit dem Templer Renaud, und wie dieser Roupen, Padraig und mir gestattet hatte, auf einem ihrer Schiffe mitzufahren. »Komtur de Bracineaux hat mir vom Plan des Fürsten erzählt. Allerdings war das kein Geheimnis. Bohemund hebt schon den ganzen Sommer über für diesen Zweck Truppen aus.«
»Aber er wollte nicht auf Euch hören«, bemerkte Thoros und schüttelte mitfühlend den Kopf. »Diese Franken hören ohnehin nur selten zu.« Falls diese Nachrichten, die zu überbringen wir solche Mühen auf uns genommen hatten, ihn auch nur im Geringsten beunruhigten, so verbarg er es bemerkenswert gut.
»Es ist uns nicht gelungen, ihn zu überzeugen. Stattdessen muss-ten wir aus Antiochia fliehen«, erklärte ich. »Wir sind so rasch wie möglich hierher gereist, um Euch zu warnen. Ich vermute, Bohe-mund hat bei der Aufstellung seines Heeres keine Zeit verschwendet. Es ist durchaus möglich, dass er nur noch wenige Tagesmärsche von hier entfernt ist.«
Nurmal nickte ernst. Padraig runzelte die Stirn und betrachtete den gleichmütigen Edelmann, als versuche er ein Rätsel zu lösen, das ihn schon seit Wochen um trieb. »Herr Roupen wird ohne Zweifel bestätigen, was wir Euch gerade gesagt haben«, erklärte der Mönch und hielt nach irgendeinem Zeichen der Unruhe oder der Besorgnis bei unserem Gastgeber Ausschau.
Wieder nickte Thoros mitfühlend. »Ihr habt Euer Leben riskiert, um meinem Bruder zu helfen und uns zu warnen. Dafür sollt Ihr belohnt werden. Mehr noch: Ich werde anordnen, dass man heute Nacht Gebete für Euch singt.«
»Ihr seid zu gütig, Herr«, erwiderte ich. Inzwischen kam ich mir wie ein Narr vor. »Wir sind nicht wegen irgendeiner Belohnung hierher gekommen«, erklärte ich steif. »Vielmehr wären wir sogar damit zufrieden, uns so bald wie möglich wieder auf den Weg machen zu können.«
»Davon will ich nichts hören«, entgegnete Thoros freundlich. »Ihr seid sehr weit gereist. Nun müsst Ihr Euch erst einmal ausruhen. Gestattet uns, Euch die Gastfreundschaft Armeniens zu zeigen.« Er stellte seinen Becher beiseite und stand auf. »Bitte, bleibt hier, und erfrischt Euch, so lange Ihr wollt. Heute Abend werdet Ihr neben mir an der Festtafel sitzen. Und wo wir schon davon sprechen. Mir fällt gerade etwas ein, was ich noch tun muss. Bitte, entschuldigt mich.« Er wünschte uns Lebewohl und verließ den Raum.
»Ihr solltet stolz sein«, sagte Nurmal. »Ihr habt gut getan. Die
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