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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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Schreiber kniff die Augen zusammen, während er überlegte, ob ich ihn wohl verspottete. Schließlich war er mit meinem Ernst zufrieden und übersetzte Ghazi meine Worte, der daraufhin durch den Armenier fortfuhr: »Die Tatsache, dass Ihr ein Kriegsgefangener seid, macht Euch zu einem Verdammten. Doch es steht geschrieben: Der, der Gnade erwartet, soll Gnade walten lassen. Daher werde ich auch Euch, dem Niedersten der Niederen, Gnade erweisen.«
    Er wartete, während man mir die Worte übersetzte; dann sagte er: »Ihr behauptet, ein Edelmann zu sein, und in der Tat ist mir nicht entgangen, dass Ihr Euch mit bemerkenswerter Höflichkeit und Zurückhaltung benehmt - zwei der Haupttugenden des Adels. Gnade und Großzügigkeit sind zwei weitere.«
    Nun sah ich, dass der schlaue Ghazi, der eigentlich ein eher nüchterner Mann war, sich offenbar auch für einen Philosophen hielt.
    »Daher«, fuhr Sahak fort, »wird man Euch durch die unermessliche Gnade und Großzügigkeit unseres Herrn Ghazi den Rang und die Ehre eines Edelmanns in Gefangenschaft gewähren.«
    Diese Worte ließen mich verzweifeln - ich kann nichts anderes behaupten -, doch ich schulterte diese Bürde, so gut ich konnte. Ich hielt den Kopf aufrecht und den Mund geschlossen. Ich versuchte, meine Würde selbst unter diesen Umständen zu bewahren, indem ich mich daran erinnerte, dass ich so wenigstens noch ein wenig länger in der Nähe des Heiligen Kreuzes blieb, dass sich ja irgendwo hier im Lager befinden musste.
    »Alle Edelleute sollen in Damaskus gegen Lösegeld freigelassen werden«, erklärte mir Sahak mit verabscheuungswürdiger Schadenfreude, »und sollte irgendjemand Anspruch auf Euch erheben, so hat der Emir den Preis auf zehntausend Dinar festgesetzt.«
    »Bitte sagt dem ehrenvollen und bewundernswerten Emir Gha-zi, dass mich seine Gnade und Großzügigkeit geradezu überwältigen.«
    Sahak verzog das Gesicht. »Morgen werden wir unsere Reise nach Damaskus fortsetzen. Ihr werdet wie die anderen edlen Gefangenen mit dem Tross des Emirs reisen. Und damit Ihr den ruhmreichen Atabek Buri bei Eurer Ankunft nicht beleidigt, wird Euch der weise und mildtätige Emir Ghazi mit einem Geschenk Eurem Rang entsprechend ausstatten.«
    Nachdem der Übersetzer geendet hatte, klatschte der Emir in die Hände, und eine Wache trat herein. Ghazi winkte den Mann zu sich heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Sofort verschwand der Soldat wieder. Der Emir gönnte sich ein hinterhältiges Lächeln aufmeine Kosten, und ein Gefühl düsterer Vorahnung überkam mich und jagte mir einen Schauder über den Rücken, als der Soldat mit einer großen Holzkiste wieder zurückkehrte, die er auf den Boden zwischen mir und dem Emir stellte.
    Die Kiste selbst war von reich beschnitzter Art, wie ich sie schon im Vorraum gesehen hatte. Sie bestand aus edlem Holz und war mit Gold verziert. Sie war wertvoll, das war klar, doch ich glaubte nicht, dass dies das Geschenk war, welches der gerissene Emir im Sinn hatte.
    »Öffnet sie«, befahl Ghazi durch seinen spöttisch dreinblickenden armenischen Mund.
    Ich kniete nieder und öffnete das einfache Schloss. Dann packte ich den Deckel mit beiden Händen, bereitete mich auf das Schlimmste vor und hob ihn hoch. Darunter kam ein abgetrennter menschlicher Kopf zum Vorschein. Ein kurzer Blick auf das lange gelbe Haar und den geteilten Bart genügten, um zu wissen, dass hier der Kopf von niemand anderem lag als der des unvorsichtigen Fürsten Bohemund.
    Bi

    I ohemund wirkte nicht länger ungestüm; stattdessen sah er ruhig und gelassen aus; sein edles Gesicht strahlte etwas Friedliches, ja Seliges aus - ein deutlicher Beweis für die Kunst des Ein-
    balsamierers, denn nach meiner kurzen Begegnung mit dem Fürsten von Antiochia konnte ich sagen, dass Gelassenheit nie ein Teil von ihm gewesen war. Auf jeden Fall hatte ich ihn noch nie zufriedener gesehen ... als hätte er nun im Tod, da der Krieg der Welt vorüber war, einen Frieden gefunden, der ihm im Leben verwehrt geblieben war.
    Die Haut hatte etwas Wächsernes an sich und glitzerte leicht gelblich, was aufdas Harz zurückzuführen war, mit dem man den Kopf haltbar gemacht hatte. Doch ansonsten wirkte alles so lebensecht, dass man glauben konnte, der arme Bohemund schlafe nur den friedlichen Schlaf der Gerechten im goldenen Licht der untergehenden Sonne. Aber es war ein Schlaf, von dem es kein Erwachen gab, und ich hätte eigentlich den grausamen Tod eines Bruders in Christo bedauern müssen

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