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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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- wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass er selbst für dieses schreckliche Ende verantwortlich war.
    Er hatte Tod und Zerstörung gesät und reiche Ernte eingefahren. Jene, die mein Mitgefühl verdienten, waren die Männer, welche keine andere Wahl gehabt hatten, als ihrem hochmütigen Herrn in die kalten, dunklen Hallen des Todes zu folgen.
    Meine seldschukischen Herren wollten, dass ich mit eigenen Augen sah, welch schreckliches Schicksal einen verräterischen Edelmann erwartete. Oh, sie genossen ihren Sieg; sie genossen ihn sogar sehr, und der abgetrennte Kopf des Fürsten war das Symbol dafür. Hätte man ihm die Wahl gelassen, ich glaube, Emir Ghazi hätte das Lösegeld vorgezogen. Ohne Zweifel hätte der Fürst ein wahres Vermögen im Tausch für seine Freiheit aufgeboten. Dennoch tat es dem listigen Emir nicht Leid, den Feind vernichtet zu haben, dessen Existenz ihm immer ein Fluch gewesen war.
    Man reichte mir die Kiste, und der armenische Katib setzte mich davon in Kenntnis, dass ich sie tragen solle . als eine Strafe, nehme ich an, weil ich dem Emir so viel Ärger bereitet hatte. Oder vielleicht war es auch die Rache des Schreibers für meinen verhaltenen Spott am Tag zuvor. Aber wie auch immer: Ich trug Bohemunds Kopf den ganzen weiten Weg nach Damaskus auf dem Rücken. Es
    war eine abscheuliche Arbeit, und ich verfluchte den hochmütigen jungen Fürsten bei jedem Schritt.
    Man gab mir ein Stoffband, das mir als Tragegurt dienen sollte. Dieses nutzte ich, um die mit Juwelen besetzte Kiste auf meinen Rücken zu wuchten und folgte fortan den Dienern des Emirs im Tross. Die Kiste war schwer, und nach erschreckend kurzer Zeit brannten meine Schultern und Arme vor Schmerzen. Schließlich fand ich heraus, dass ich mir die Arbeit deutlich erleichtern konnte, wenn ich das Stoffband über meine Stirn legte; aufdiese Art wurde der Druck von meinen Händen und Schultern genommen. Es war eine seltsame Art des Transports, und ich musste gebückt gehen wie ein alter Mann; aber zumindest konnte ich so längere Strek-ken zurücklegen, ohne vollends zu ermüden.
    An jenem ersten Tag fragte ich mich, warum der Zug des Emirs sich nicht bemühte, mit dem Heerbann Schritt zu halten. Nach einiger Zeit wurde jedoch offensichtlich, dass wir einer anderen Route folgten. Das bereitete mir einige Sorgen, und ich hoffte, wir würden irgendwann wieder aufdas Seldschukenheer treffen, denn es gefiel mir nicht, von den anderen christlichen Gefangenen getrennt zu sein.
    Dann, als der Tag sich dem Abend zuneigte und wir anhielten, um das Lager aufzuschlagen, gesellten sich drei andere Edelleute zu mir, die ebenfalls in Damaskus gegen Lösegeld freigelassen werden sollten; alle drei waren Franken. Einer von ihnen war in der Schlacht verwundet worden und litt noch immer daran. Bei den anderen beiden handelte es sich um eher >ländliche< Herren, die nur wenig Latein sprachen und überhaupt kein Griechisch, was es mir nahezu unmöglich machte, mich mit ihnen zu unterhalten. Außerdem hielten sie mich aufgrund meines Gewands und meiner Sprache für einen Armenier, und für diese hatten sie nichts als Verachtung übrig. Ich konnte sagen, was ich wollte, sie waren nicht von dieser Meinung abzubringen. So kam es, dass sie nichts mit mir zu tun haben wollten und ich die meiste Zeit über allein war.
    In vielerlei Hinsicht ging es den Dienern, die mit dem Aufbau und der Versorgung des Lagers betraut waren, auf dem Marsch am besten. Da ein Großteil der Schätze und des Tributs immer auf Packtiere verladen wurde, mussten die Diener neben ihnen hergehen und häufig anhalten, um den Tieren Wasser zu geben und ein wenig Ruhe zu gönnen - was hier weit häufiger geschah, als bei der Hauptstreitmacht, die sich mit beachtlicher Schnelligkeit durchs Land bewegte. Wenn sie sich also ausruhten, dann ruhten auch meine Gefährten und ich uns aus; und wenn sie tranken, dann tranken auch wir.
    Die ersten Tage waren auf diese Art angenehm kurz, sonst glaube ich auch nicht, dass ich es überlebt hätte. Meist marschierten wir, bis die glühend heiße Sonne hinter uns lange Schatten über das Land warf. Nachdem dann der Anführer des Trosses, der Truchsess des Emirs, einen geeigneten Platz gewählt hatte, pflegte er den Befehl zu geben, das Lager aufzuschlagen. Mit dieser Arbeit hatte ich nichts zu tun; jeder Diener hatte seine besonderen Pflichten, und da niemand mich mit etwas beauftragt hatte - außer gelegentlich Wasser für die Tiere zu holen -, hatte ich

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