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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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unwillkürlich zusammen. Und da sah ich auch warum: Der Rücken des armen Kerls war eine einzige blutige Masse aus zerfetztem Fleisch und Haut. Gütiger Gott, Hautfetzen hingen ihm von den Schultern herab, die ihm eine bösartige, mit Bleikugeln bewehrte römische Peitsche heruntergerissen hatte. Das Blut floss ihm in Strömen an der Seite herunter, befleckte sein zerfetztes Gewand und tropfte mit jedem Schritt in den Staub der Straße.
    Der Mann kam nur einen Schritt weit, dann stürzte er erneut. Sofort war der Mob über ihm, trat ihn und schrie ihn an aufzustehen. Zwei Soldaten drängten sich in die Menge, und während der eine die Leute zurückschob, packte der andere den Balken und löste die Stricke, mit denen der Gefangene daran festgebunden. Die Menge heulte vor Zorn, und drei weitere Legionäre erschienen. Zu viert drängten sie die Menge mit ihren kurzen Speeren zurück. Einer der Soldaten packte sich einen Mann - einen großen schwarzen Äthiopier, der sich eigentlich gerade auf dem Weg in die Stadt befand, und der wie ich nur an der Straße stand und die wilde Prozession beobachtete. Viel zu verängstigt, um Widerstand zu leisten, wurde der unglückliche Mann auf die Straße gezogen und zur Arbeit verpflichtet.
    Befreit von der Last des Balkens schickte der verwundete Gefangene sich an aufzustehen; er hob den Kopf, seine Augen trafen die meinen, und das Herz schlug mir bis zum Hals, denn ich blickte in das zerschundene Gesicht von Gottes eingeborenem Sohn.

    as einst edle Gesicht war nun blutig und zerschlagen, die noble Stirn zerschunden und die feine, gerade Nase gebrochen. Man hatte ihm aus den Zweigen der Wüstenrose einen Stirnreif geflochten, und die Dornen bohrten sich nun in seinen Kopf. Blut troff aus den Wunden und mischte sich mit dem Staub auf seinem Gesicht zu dunklen Bächen, die ihm über die Wangen rannen. Die Augen, mit denen er mich ansah, waren zwar leiderfüllt, doch gleichzeitig strahlten sie auch Weisheit und einen festen Willen aus.
    Das war alles, was ich erhielt - einen kurzen, flüchtigen Blick -, doch ich schwöre, dass alles Leid der Welt in ihm gelegen hat. Die wie Hunde heulende Menge drängte ihn weiter. Die Legionäre packten ihn an den Armen und rissen ihn in die Höhe. Man stieß ihn weiter die Straße hinauf, hinter ihm der Äthiopier, der den schweren Balken trug. Und das grässliche Gefolge setzte sich ebenfalls wieder in Bewegung.
    Einen Augenblick lang stand ich einfach nur da. Ich war zu verwirrt und zu entsetzt, um mich bewegen zu können; und dann, bevor ich mich versah, folgte ich der Menge und fand mich umgeben von einer Gruppe laut jammernder Frauen und fröhlichen, aufgeregten Kindern. Wir folgten der Straße zu einem seltsamen, runden Hügel nicht weit entfernt von den Stadtmauern.
    Auf der Hügelkuppe war ein großer Felshaufen zu sehen, gegen den man einen Holzrahmen errichtet hatte. Ein kleiner Trupp gelangweilt dreinblickender Legionäre saß am Hang neben der Straße. Nachdem es mir schließlich gelungen war, bis in die vorderste Reihe vorzudringen, sah ich unseren Herrn Jesus würdevoll und mit hoch erhobenem Haupt inmitten der Menschen stehen und sich bemühen, aufrecht stehen zu bleiben, während die Menge um ihn herum wogte.
    Die Legionäre verschwendeten keine Zeit. Sie nahmen dem Äthiopier den Kreuzbalken ab, schleppten das schwere Stück Holz ein paar Schritt den Hang hinaufund warfen es aufden Boden. Dann packten sie den Verurteilten, rissen ihm die Kleider vom Leib, schoben ihn zum Balken, drehten ihn um und stießen ihn auf den blutigen Rücken hinunter. Unser Herr zitterte vor Schmerz, schrie aber nicht.
    Einer der wartenden Legionäre, ein breiter, kräftiger Kerl, der sich eine lederne Schmiedeschürze um den Bauch geschlungen hatte, stand auf und trat rasch auf den Gefangenen zu. Er trug kein Hemd, und seine Arme glitzerten vor Schweiß. Er nickte knapp, und ein anderer Legionär legte den Arm des Verurteilten auf das Holz. Dann kniete sich der stämmige Kerl auf den Arm, um ihn ruhig zu halten, drückte seinen gespreizten Daumen unmittelbar auf das Handgelenk des am Boden Liegenden und ließ ihn einen Moment in dieser Position.
    Mit der anderen Hand zog der Legionär einen dicken Eisennagel aus der Tasche in seiner Schürze und setzte ihn an die Stelle, die er mit dem Daumen markiert hatte. Schließlich griff er mit einer raschen, geübten Bewegung hinter sich und zog einen schweren Schmiedhammer aus dem Gürtel. Die Bewegung war so

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