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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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zu. Sie hatten sich ein wenig Brot und Wein mitgebracht und ließen sich nun ein Stück vom Kreuz entfernt nieder, um zu essen und zu trinken, während sie auf das unvermeidliche Ende der Hinrichtung warteten.
    Die grausame Menge ließ die Sterbenden nicht in Ruhe. Sie verspottete sie und lachte über ihr Elend, während die Unglücklichen versuchten, das Gewicht ihrer Körper von den festgenagelten Beinen zu nehmen und gleichzeitig die ausgestreckten Arme zu entlasten. Einige der älteren Jünglinge hielten es für lustig, die Verurteilten mit Steinen zu bewerfen - was sie dann auch straflos taten.
    Einer der jugendlichen Schläger landete sogar einen glücklichen Treffer; er traf einen der Diebe mitten ins Gesicht. Das Jochbein der Mannes brach, und der Wurf kostete ihn ein Auge; der arme Kerl stöhnte und warf den Kopf hin und her, während sein herausgeschlagenes Auge an einem Fetzen Fleisch herabbaumelte, sehr zum Vergnügen der johlenden Zuschauer.
    Die anderen fühlten sich durch diesen Treffer ermutigt, und ich glaube, die Jünglinge hätten die Gekreuzigten gesteinigt, wäre nicht ein fehlgeleiteter Stein vom Kreuzbalken abgeprallt und mitten zwischen die römischen Soldaten geflogen, die ihr Mahl inzwischen beendet hatten und nun um die Kleider und Sandalen der Verurteilten würfelten. Der Stein traf einen der Legionäre am Bein, und der Mann sprang sofort auf. Mit gezogenem Schwert stürmte er zwischen die Jünglinge, hieb um sich und erwischte ein oder zwei der vorwitzigeren Raufbolde mit der flachen Seite seiner Klinge. Die Jungen heulten wie geschlagene Welpen, und die ganze Meute floh.
    Eine seltsame Ruhe senkte sich daraufhin auf den Hügel herab, und die Zuschauer richteten sich darauf ein zu warten. Der Himmel wurde dunkler, und seine schreckliche gelbe Farbe wich dem Graugrün einer schwärenden Wunde; aber noch immer regte sich auch nicht der geringste Lufthauch, und die Schwüle wurde allmählich unerträglich. Das einzige Geräusch, das man hörte, war das Stöhnen und Wimmern der Gekreuzigten, die verzweifelt versuchten, Luft in ihre Lungen zu bekommen; auch wenn alle drei offenbar nicht mehr zu retten waren, so weigerte sich das Leben doch, sie loszulassen.
    Die Menge wurde des langweiligen Schauspiels rasch überdrüssig; Unruhe griff um sich. Schon bald wanderten am Rand die ersten Zuschauer ab; jene, die einfach nur neugierig gewesen waren, überließen Spott und Hohn den Eiferern. Kurz darauf erschien ein berittener römischer Offizier. Einen Augenblick lang stand er einfach nur da und ließ seinen Blick über die Menge schweifen, bevor er den am Boden hockenden Legionären einen Befehl zurief.
    Ich konnte nicht verstehen, was der Römer sagte, denn ich war
    auf den Hang hinausgedrängt worden, während der Zenturio auf der Straße stand. Doch zwei der Legionäre sprangen augenblicklich aufund rannten zu der Stelle, wo sie ihr Werkzeug abgelegt hatten. Einer der Männer griff nach einer Leiter und der andere nach einem Hammer und einem flachen Stück Holz. Der Legionär mit der Leiter lehnte diese an den Kreuzbalken und kletterte hinauf, während der andere unten stehen blieb und ihm Hammer und Brett hinaufreichte. Dann befestigte der erste Legionär das Brett neben Jesus Kopf.
    Soweit ich sehen konnte, stand nichts aufdem Brett geschrieben, doch dieser Fehler wurde schon bald behoben, denn der Zenturio rief seinen Männern abermals etwas zu, woraufhin der unten Wartende einen Stock aufhob, ihn in zwei Teile brach und einen davon seinem Kameraden auf der Leiter reichte. Der Legionär nahm den Stock und tunkte das abgebrochene Ende ins Blut unseres Erlösers, um anschließend in groben roten Buchstaben die Worte auf das Brett zu schreiben: Jesu Nazareni Rex Iudorum.
    Als die Zuschauer das sahen, stießen sie angewiderte Schreie aus. Die Priester und Ältesten, die bisher stolz und unbeweglich in der ersten Reihe gestanden hatten, begannen zu heulen und zerrissen sich die Gewänder. Zwei der jüdischen Führer eilten zu dem Zenturio, der noch immer auf seinem Pferd saß und das Ganze amüsiert verfolgte.
    »Bitte, hört uns an, Herr«, riefder ältere der beiden Männer. »Dieser Mann ist nicht der König der Juden!«
    »Wir haben keinen König außer Cäsar!«, fügte der andere hinzu. Einige der Zuschauer wiederholten eilig den Satz im Chor. »Wir haben keinen König außer Cäsar!«, bekundeten sie halbherzig.
    Ein weißhaariger Mann im Priestergewand gesellte sich zu den beiden. »Das

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