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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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von einem Augenblick auf den anderen davongeweht. Ein Gesandter aus Ägypten war eingetroffen, und die Zukunft des Heiligen Landes hatte sich verändert.
    Und auch meine Lage veränderte sich; auch wenn ich die Natur dieser Veränderung damals kaum wahrgenommen, geschweige denn verstanden habe, so war sie doch dennoch bemerkenswert. Tatsächlich sollte es sogar noch mehrere Wochen dauern, bis ich zur Gänze begriff, wie außergewöhnlich meine Umstände geworden waren - und wie dünn der Faden war, an dem mein Leben hing.

    ch erwartete, dass sie mich am Morgen holen würden, und das taten sie auch. Ich erwartete jedoch nicht, dass sie Sahak schicken würden, doch es war sein Gesicht, das ich sah, als der eiserne Riegel zurückgeschoben und die Tür geöffnet wurde. »Fall aufdie Knie, und lobe Gott, mein Freund«, verkündete er, und ich sah deutlich, dass es ihm große Freude bereitete, mir das mitzuteilen. Er hatte mich noch nie als seinen Freund bezeichnet, und ich fragte mich, was wohl der Grund für diese fröhliche Begrüßung sein mochte. »Ein Wunder ist geschehen. Man hat dir eine Gnadenfrist gewährt.«
    Bevor ich ihn fragen konnte, wie es dazu gekommen sei, sagte er: »Beeil dich. Du sollst sofort mit mir kommen. Sie wollen dich sehen.«
    »Warum?«, fragte ich, während ich bereits durch die offene Tür trat. Zwei Wachen begleiteten Sahak, doch keine von ihnen schien sonderlich an den Vorgängen interessiert zu sein.
    »In den vergangenen zwei Tagen ist viel geschehen. Es wird ein großes Fest geben.«
    Wir liefen den Gang entlang, und ich war bereits zur Hälfte die Treppe emporgestiegen, als es mir plötzlich einfiel. »Mein Brief!«
    »Lass ihn, wo er ist«, sagte Sahak. »Wir haben keine Zeit. Sie warten.«
    »Dann sollen sie eben warten.«
    »Inshallah!«, seufzte Sahak.
    Ich rannte in meine Zelle zurück, schnappte mir das zusammengefaltete Stück Pergament und stopfte es in mein Wams, während ich mich wieder zu dem Schreiber aufder Treppe gesellte. »Nun sag mir, Sahak: Wer wartet auf mich? Sind es meine Freunde? Ist
    Padraig gekommen, um das Lösegeld für mich zu bezahlen?«

»Äh ... leider nein«, antwortete Sahak; daran hatte er offensichtlich gar nicht gedacht. »Der Kalif von Kairo hat seinen persönlichen Abgesandten nach Damaskus entsandt«, erklärte er bedeutungsvoll. »Der Mann ist hier ... hier in diesem Palast, in eben diesem Augenblick.«
    »Dieser Gesandte. Ist das der Mann, der mich sehen will?«
    »In gewissem Sinne ja. Du wirst nach Kairo gehen, mein Freund. Ist das keine wunderbare Neuigkeit? Es ist bereits alles vorbereitet. Lob sei Gott.«
    Doch jegliche Freude, die ich über den Aufschub meiner Hinrichtung empfunden haben mochte, wurde sofort von einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit verschluckt. »Wenn ich nach Kairo gehe«, sagte ich, »werden meine Freunde mich niemals finden.«
    »Wenn sie dich in Damaskus suchen, werden sie dich im Grab eines Verräters finden«, erwiderte Sahak. »Ist es das, was du willst?«
    Tatsächlich war Rettung nicht mein sehnlichster Wunsch; mir bereitete weitaus mehr Sorgen, dass man mich vom Heiligen Kreuz trennen wollte. Aber auch dagegen konnte ich nichts tun, und abgesehen davon, hätte mich eine Hinrichtung ebenfalls von der Reliquie getrennt, und das sogar endgültig. So beschloss ich, anstatt Sahak zu tadeln, ihm dankbar zu sein.
    Wir folgten den Wachen die steinernen Stufen hinauf, durch den leeren Wachraum und über den inneren Palasthofhinweg. Vielleicht lag es an Sahaks Aufregung, und ich bildete mir nur etwas ein; aber ich roch einen gewissen Duft in der Luft - einen Duft, wie man ihn kurz vor dem Wechsel der Jahreszeiten riechen kann. Doch die Sonne, die sich über den weißen Kuppeldächern erhob, war dieselbe und die Luft noch immer heiß und trocken.
    »Das war meine Idee«, erklärte der Schreiber stolz. »Es bereitete mir große Sorgen, dass du sterben solltest, weil du meinem Volk geholfen hast, und ich betete zu Gott, dass er mir eine Möglichkeit eröffnen möge, dir zu helfen. Und dann ist der Abgesandte eingetroffen.« Er lächelte, als wäre der Rest vollkommen eindeutig.
    Ich dankte ihm für seine geschickte Einmischung zu meinen Gunsten und sagte: »Aber ich verstehe immer noch nicht, warum der Abgesandte des Kalifen von Kairo daran interessiert sein sollte, mir zu helfen.«
    »Genau genommen weiß er nicht, dass er dir hilft. Er glaubt, lediglich ein Geschenk für seinen Herrn erhalten zu haben. Aber Gottes Wege

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