Der Gast des Kalifen
Geld.« Ich stimmte ihm zu. »Hoffst du, ausgelöst zu werden?«
»Das werde ich mit Sicherheit, ehrwürdiger Kalif«, erklärte ich selbstbewusst und ohne auf Sahaks böses Grinsen zu achten. »In eben diesem Augenblick sind meine Freunde aufdem Weg nach Damaskus, um meine Freiheit zu erkaufen.« Da ihn das zu interessieren schien, fuhr ich fort zu berichten, dass wir noch in Anavarza gewesen waren, als die Schlacht begonnen hatte, und ich erzählte ihm, wie es dazu gekommen war, dass man mich gefangen genommen hatte.
Der Kalif hörte mir aufmerksam zu; dann sagte er: »Deine Mitgefangenen nennen dich einen Verräter und Spion.«
Er beobachtete mich aufmerksam, um zu sehen, wie ich auf diese Anschuldigung reagieren würde. »Ich bin mir ihrer Gefühle durchaus bewusst«, erwiderte ich in nüchternem Tonfall und ohne zu zögern. »Sie haben Recht, bekümmert darüber zu sein, was ihnen widerfahren ist, aber mich trifft keine Schuld daran.«
»Ich verstehe. Dennoch klagt man dich unglücklicherweise an.«
»Wie Ihr gesagt habt, o weiser Kalif, geschieht im Krieg so manches Unglück.«
Kalif al-Mutarshid lächelte ob dieser Worte. Er faltete die Hände und blickte mich über die Fingerspitzen hinweg an. »Dann sag mir, wer die Schuld daran trägt? Emir Ghazi? Fürst Thoros?«
»Nein, mein Herr und Kalif. Diese Männer handelten nur den Umständen entsprechend, die das Schicksal ihnen aufgezwungen hat. Wenn die Gefangenen nach einem Schuldigen suchen, würde ich an ihrer Stelle auf den Fürsten von Antiochia blicken, der sie ohne Not in diese Katastrophe geführt hat und ohne vorher darüber nachzudenken.«
»Der Fürst ist tot, nicht wahr? Ich glaube, man hat mir seinen Kopf in einer Kiste als Andenken an diesen Sieg überreicht. Daher kann man ihn nicht länger zur Verantwortung ziehen.«
»Das ist wahr.«
»Und ebenso wenig kann er bestätigen oder bestreiten, was du ihm vorwirfst.«
»Vielleicht nicht«, räumte ich ein, »und doch. Bitte, verzeiht mir meine Anmaßung, mein Herr und Kalif, aber wenn meine Mitchristen mich des Verrats anklagen, dann folgt daraus, dass ich in den Diensten der Seldschuken stehe. Wenn ihr das glaubt, warum bin ich dann noch immer ein Gefangener?«
Der Kalif presste die Lippen aufeinander, und seine Augen verengten sich ein wenig. »Ich glaube, du bist nicht so unschuldig, wie du zu sein vorgibst«, bemerkte er unvermittelt. Dann winkte er den Wachen, mich fortzuschaffen, doch noch bevor ich mich umdrehen konnte, sagte er: »Ich werde über diese Angelegenheit nachdenken. Wir werden später weiter darüber reden.«
Erneut winkte er den Wachen zu, und ich wurde in meine Zelle zurückgebracht. Unfähig, der Versuchung zu widerstehen, Salz in die Wunden zu streuen, von denen er glaubte, dass sie mir geschlagen worden seien, kam Sahak später am Tag zu mir. »Es war nicht sonderlich klug von dir, den Kalifen zu verärgern«, schalt er mich und wedelte tadelnd mit dem Finger. »Er hält sich für einen Logiker und Philosophen von beachtlichen Fähigkeiten. Es wird dir nicht gerade gut bekommen, ihn aufdem Feld herauszufordern, das er zu seinem eigenen erklärt hat.«
»Es war nicht meine Absicht, ihn herauszufordern«, erwiderte ich. »Ich habe nur gehofft, dass er als Mann der Weisheit die Wahrheit in meinen Worten erkennen und dies dann in die Beurteilung meiner Lage einfließen lassen würde.«
Sahak lachte lauthals auf und ging kopfschüttelnd davon. So erfuhr ich von meinem Fehler und beschloss, ihn nicht noch einmal zu begehen. Doch der Schaden war bereits angerichtet. Am nächsten Tag erschienen die Wachen und führten mich wieder vor al-Mutarshid. Der Kalif hatte beschlossen, sein scharfsinniges Urteil vor dem versammelten Hofstaat aus Beratern und Lehnsmännern zu verkünden, um seine Untertanen so mit seiner Weisheit zu beeindrucken, was wiederum bedeutete, dass er nicht zu Spielchen aufgelegt war.
»Ich habe über das nachgedacht, was du mir gesagt hast«, verkündete er, als ich vor ihn trat, »und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass du ein Spion der gefährlichsten Sorte bist: Der, der ohne Treue ist, ist keinem Herrn Untertan als sich selbst. Daher habe ich entschieden, dass du in Gefangenschaft bleiben wirst.«
»Es war ein Fehler«, versicherte ich ihm. »Ich hätte nie hierher gebracht werden dürfen.«
»Und dennoch bist du hier«, erwiderte der Kalif. »Quismah! Es ist der Wille Allahs. So etwas wie Fehler gibt es nicht. Wenn du ein Gefangener bist, dann
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