Der Gast des Kalifen
weil Allah es so gewollt hat. Wer ist so weise, dass er Gottes Rat infrage stellen könnte?« Er ließ seinen Blick über sein Gefolge schweifen, um die bewundernden Blicke seiner Untertanen zu ernten; dann sagte er: »Du wirst ein Gefangener bleiben.«
Diese Ankündigung bereitete Sahak, meinem treulosen Übersetzer, sichtliches Vergnügen; nur mit Mühe konnte er sich davon abhalten, vor Schadenfreude lauthals aufzulachen. Doch die nächste Erklärung schreckte sogar Sahak auf. Der Kalif musterte mich kalt und sagte: »Mehr noch: Sollte innerhalb der nächsten drei Tage niemand kommen, um für dich das Lösegeld zu bezahlen, wird man dich hinrichten. Im Namen Allahs, so lautet mein Urteil.«
Ich war nicht im Mindesten auf dieses Urteil vorbereitet. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich dachte an dich, Cait, und an alle, die ich zu Hause zurückgelassen hatte; ich dachte an Padraig, der zu spät kommen und meinen leblosen Körper an der Stadtmauer hängen sehen würde, an Sydoni, die an meinem Grab weinte. So viele seltsame Gedanken gingen mir durch den Kopf, dass ich eine Weile brauchte, um mich wieder zu sammeln.
»Mein Herr und Kalif«, sagte ich und bemühte mich, angesichts dieses ungerechten Urteils so ruhig wie möglich zu bleiben, »ich weiß nicht, warum meine Freunde mich noch nicht holen gekommen sind. Ich kann Euch jedoch versichern, dass man das Lösegeld zahlen wird; aber drei Tage sind nicht genug. Es ist ein langer Weg von Anavarza bis Damaskus.«
»Seit deiner Gefangennahme hatten sie genug Zeit, dich zu holen; doch sie sind nicht gekommen«, erklärte mir der Kalif. »Ich ver-
mute, dass diese Freunde, von denen du ständig sprichst, lediglich eine List sind, um deine von Falschheit bestimmte Existenz zu verlängern. Es ist sinnlos, dich noch länger am Leben zu lassen. Drei Tage ... nicht mehr.«
Die versammelten Höflinge murmelten zustimmend ob der Bestimmtheit, die ihr Herrscher in seinem Urteil zeigte. Ich atmete tief durch, um so tapfer als möglich dazustehen, und sagte: »Dann bitte ich den weisen Kalifen, dass er mir als Edelmann einen letzten Wunsch gewähren möge.«
Der Vorschlag erregte das Interesse von al-Mutarshid. Ich glaube, er hat nicht damit gerechnet, dass ich auf diesen Gedanken kommen könnte. »Im Rahmen der Vernunft natürlich«, erwiderte er. »Was wünschst du dir?«
»Ich würde gerne eine Nachricht an meine Familie in Schottland hinterlassen, damit sie erfahren, was mir widerfahren ist.«
Das war ein einfacher Wunsch, doch zeugte er von einer gewissen edlen Gesinnung, und ich hatte den Eindruck, dass er al-Mu-tarshid gefiel. »Also gut«, stimmte er schließlich zu, »du wirst deine Nachricht schreiben können.« Er betrachtete mich mit nachdenklicher Neugier. »Wie im Namen des Propheten - Friede sei mit ihm -glaubst du, dass dieser Brief deine Familie erreichen soll?«
»Erhabener Herr«, antwortete ich, »es liegt in Eurer Macht, dies geschehen zu lassen. Viele Pilger kehren nach dem Ende ihrer Pilgerfahrt in den Westen zurück. Ohne Zweifel würde einer von ihnen sich bereit erklären, den Brief zu überbringen.«
»So soll es geschehen«, verkündete der Kalif, und die Audienz war beendet.
Überrascht darüber, dass er mir so ohne weiteres meinen Wunsch gewährt hatte, dankte ich ihm für sein Erbarmen und seine Großzügigkeit; dann wurde ich wieder in meine Zelle zurückgebracht. Da ich die arabische Denkweise inzwischen besser kenne, weiß ich, dass er mir meine Bitte unmöglich hat abschlagen können; ansonsten hätten ihn seine um ihn versammelten Ratgeber und Lehnsmänner als schwachen, willkürlichen Herrscher betrachtet. Wäh-
rend seiner gesamten Herrschaft hatte er sich stets bemüht, seinem Volk als Born der Weisheit und des Wissens zu erscheinen, und so hatte er sich nun keinesfalls als weniger edel erweisen können als die armselige Kreatur, die er soeben verdammt hatte.
So wurde mir die Gunst zuteil, um die ich gebeten hatte. Hätte ich gewusst, dass es derart einfach war, meine liebe Cait, ich hätte ihn um etwas Bedeutenderes gebeten; doch ich war zufrieden.
Die Wachen brachten mich in meine Zelle zurück, wo ich den Rest des Tages und die kommende Nacht im Gebet verbrachte und unseren Herrn darum bat, mich lange genug leben zu lassen, um meinen Eid zu erfüllen, meine Pilgerfahrt zu beenden und das Wahre Kreuz zu retten. Am nächsten Morgen erschien Sahak mit einem kleinen Stück Pergament, einem Tintenfass und einem Vorrat an
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