Der Gast des Kalifen
durchfuhr ihren Körper. Ich ergriff ihre Hand und drückte sie. Flach und langsam atmete Rhona aus; dann rührte sie sich nicht mehr.
»Leb wohl«, sagte ich; das Wort schnürte mir die Kehle zu, und gleichzeitig kamen mir die Tränen. Ich hob ihre Hand an meine Lippen und hielt sie dort. Dann nahm ich Rhona ein letztes Mal in die Arme und drückte meine Wange gegen ihre . bis ich die Hand meiner Mutter auf der Schulter spürte, die mich sanft zurückzog. Ich ergab mich in die Umarmung meiner Mutter, und so standen wir eine Zeit lang reglos da, während Frau Ragna mir Worte des Trostes und der Ermutigung zuflüsterte.
Dann erschienen Abt Emlyn und mein Vater. Der Abt betrat den Raum und wusste sofort, was geschehen war. Er ließ die runden Schultern sinken, und sein sonst so fröhliches Gesicht war ein Bild des Elends. Murdo rannte zum Bett, als wolle er dem Leben befehlen, wieder in den Körper meiner geliebten Rhona zurückzukehren; erst als er die bleiche Haut und den leeren, nach oben gerichteten Blick bemerkte, wurde ihm klar, dass er nichts mehr tun konnte. Er drehte sich zu mir und Ragna um und legte mir den Arm um die Schulter.
»Duncan, mein Sohn«, sagte er und zog mich zu sich heran. »Es tut mir so Leid.«
So standen wir drei einige Zeit beieinander und ließen unseren Tränen freien Lauf. Abt Emlyn trat vor, streckte die Hände über den noch warmen Leib, begann zu singen - nicht auf Latein oder Griechisch, sondern in der alten, ehrenvollen Sprache der Kelten -und bat die Schnelle Sichere Hand, die Seele meiner Geliebten aufzunehmen und sie in ihre ewige Heimat zu überführen. Dann faltete er Rhona die Hände auf der Brust, richtete ihre Glieder und befahl den Zofen, Rhonas edelste Gewänder herauszusuchen.
Zu mir sagte er: »Gott hat seine gläubige Tochter zu sich ins Paradies gerufen. Heute Nacht werden wir ein Klagelied singen ob der Leere, die sie hinterlassen hat. Morgen jedoch werden wir ihr Leben feiern und uns für sie freuen, denn sie hat endlich ihre wohlverdiente Belohnung bekommen. Sieh sie dir noch ein letztes Mal an, mein Freund. In Kürze werde ich zurückkehren und den Leichnam mit mir nehmen, um ihn für die Beisetzung vorzubereiten.«
Ich blickte ihn entsetzt an. Schon so bald?, dachte ich. Warum muss es schon so bald sein? Doch ich sagte nichts und nickte nur.
Emlyn ging, und ich wandte mich wieder dem Bett zu. Rhona wirkte schon wesentlich ruhiger; ihre angespannten Gesichtszüge hatten sich gelöst, sodass es den Anschein hatte, sie schliefe friedlich. Einen flüchtigen Augenblick lang hüpfte mein Herz vor Freude. Ich hatte das Gefühl, schreien zu müssen: »Seht! Es war alles nur ein schrecklicher Irrtum! Sie lebt!«
Aber nein. Vom Schmerz des Todeskampfes befreit, hatte Rho-na lediglich wieder ein wenig von ihrer natürlichen Ruhe zurückgewonnen. Erneut beugte ich mich über sie, strich ihr die feuchten Haarsträhnen aus dem Gesicht und küsste sie auf die Stirn. »Geh mit Gott, meine Seele«, sagte ich und richtete mich wieder auf. In diesem Augenblick bemerkte ich ein kleines, regungsloses Etwas neben dem Bett. Mit Windeln zu einem kleinen Bündel gewickelt lag dort der winzige Körper meines Sohnes. Von dunklen Haaren umrahmt krampfte sich sein kleines Gesicht gegen eine Welt zusammen, die er niemals kennen lernen würde.
Ich starrte den kleinen Körper an und fühlte meine geliebte Mutter neben mir. »Der Kleine hat nicht einen einzigen Atemzug getan«, berichtete sie mir. »Wir konnten nichts tun.«
Ich nickte und legte die Hand auf die Brust des Kindes - fast bedeckte sie seinen ganzen Körper. »Gott segne dich, mein Sohn. Mögen wir uns am Hof unseres Herrn Jesus Christus wiedersehen.«
Wir warteten bei den Toten, bis die Mönche kamen, um sie ins Kloster zu bringen. Ich brachte es weder über mich, sie zu begleiten, noch half ich bei den Vorbereitungen zur Beisetzung. Stattdessen ging ich zum Meer hinunter und wanderte bis Sonnenuntergang am Strand entlang. Schließlich schickte Emlyn mir Bruder Padraig hinterher, um mich zur Halle zurückzuholen. »Speis und Trank sind bereit«, sagte er. »Alle warten nur noch auf Euch.«
»Nein«, erwiderte ich barsch. »Geht zurück, und sagt Ihnen, sie sollen ohne mich essen.«
»Herr Duncan«, sagte der Mönch so sanft und voller Mitgefühl, dass ich es nicht über mich brachte, ihm erneut zu widersprechen; also gestattete ich ihm, mich zur Halle zurückzuführen. Als ich eintrat, schaute ich mich rasch um, und
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