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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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zurück. Wir genossen den Anblick der untergehenden Sonne, die den Himmel in ein scharlachrotes Feuer tauchte.
    Doch noch bevor wir die Straße erreichten, die zur Feste hinaufführte, wusste ich, dass etwas nicht stimmte.
    Wir trieben unsere Pferde an und galoppierten durch das offene Tor in den leeren Hof. Ich stieg ab und half Rhona aus dem Sattel. Die Pferde ließ ich einfach stehen, und meine Frau und ich eil-ten zur Halle, wo wir auf Bruder Padraig trafen. Es bedurfte nur eines kurzen Blickes in sein Gesicht, und ich fragte: »Dann ist es also vorbei?«
    »Euer Onkel ist gestorben«, antwortete er schlicht.
    Ich nickte. »Möge Gott seiner Seele gnädig sein«, flüsterte ich und spürte, wie Rhona ihre Hand in die meine legte.
    »Der Herr und die Frau sind bei dem Toten«, berichtete uns Pa-draig, »und Abt Emlyn spricht die Totengebete.«
    »Die arme Seele«, seufzte Rhona. »War jemand bei ihm, als er starb?«
    »Ich war an seinem Lager, gute Frau«, antwortete der Mönch. »Er ist nicht mehr aus seinem Schlaf erwacht. Ich wollte ihn bei Sonnenuntergang wecken, um ihm einen Schluck meines Tranks zu geben, doch da war seine Seele schon entflohen.«
    Wir gingen hinein und fanden eine beachtliche Menschenmenge um das Totenbett versammelt: Diener und Mägde zum größten Teil, doch auch ein paar Pächter und ein halbes Dutzend Mönche. Sie alle hatten die Köpfe gesenkt und die Hände gefaltet, während der Abt leise Gebete für den Verstorbenen sprach. Rhona und ich stellten uns hinter die Mönche und lauschten, bis Emlyn seine Gebete beendet hatte, woraufhin die guten Brüder sich um das Totenbett versammelten, es in die Höhe hoben und aus der Halle trugen.
    Ich trat neben meinen Vater und sagte: »Es tut mir Leid, dass er von uns gegangen ist. Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir mehr für ihn hätten tun können.«
    Murdo schüttelte den Kopf. »Er wollte nichts von uns in diesem Leben, außer dass wir ihn in Frieden sterben lassen. Worum er gebeten hat, das haben wir ihm gegeben.« Er schien noch mehr sagen zu wollen, doch plötzlich wandte er sich ab und folgte den Mönchen in den Hof hinaus.
    Meine Mutter legte mir die Hand auf den Arm, als sie an mir vorüberging. »Alle Dinge finden mal ein Ende«, flüsterte sie und drückte mir den Arm. »Lass auch dies hier enden.«
    Ich wunderte mich über diese Worte und hätte meine Mutter auch gefragt, was sie damit meinte, doch sie ging rasch davon, und Rho-na trat neben mich. »Es ist traurig«, seufzte sie.
    »Vor ein paar Tagen hat es noch niemanden gekümmert, ob er stirbt oder lebt«, erinnerte ich sie. »Es hat sich nicht viel geändert.«
    Rhona blickte mich von der Seite her an. »Alles hat sich verändert«, sagte sie.
    Frauen, so glaube ich, empfinden vieles anders. Ich tue nicht so, als würde ich sie verstehen.
    Torfs Leichnam wurde in das nahe gelegene Kloster getragen, wo man ihn für die Beisetzung wusch und in sauberes Leinen wickelte. Ich hatte oft gehört - und heute weiß ich, dass es wahr ist -, dass die römische Kirche im Angesicht des Todes alle Hoffnung fahren lässt. Die Riten, die den Abschied einer Seele begleiten, sind feierlich und ernst; die römischen Priester bemühen sich nicht im Mindesten, die Trauer der Hinterbliebenen zu mindern. Es ist, als betrachteten sie den Tod als Strafe für die Kühnheit, das Geschenk des Lebens aus den Händen des allmächtigen Schöpfers entgegengenommen zu haben, oder als das erbärmliche und unvermeidbare Ende des sündigen Fleisches.
    Die Cele De jedoch betrachten den Tod als Freund, den ihnen der Allwissende in seiner Gnade geschickt hat, um seine Kinder von den Qualen der sterblichen Existenz zu erlösen und sie in sein ewiges Paradies zu führen. Wenn Körper und Herz zu krank werden, um weitermachen zu können, kommt Bruder Tod, um den leidenden Geist in sein rechtmäßiges Heim zu überführen. Dementsprechend wurde der Aufbruch der Seele nur von Trauerliedern für die Hinterbliebenen begleitet, doch das Glück dessen, der vorausgegangen war, wurde gepriesen.
    Während der Leichnam für die Beerdigung vorbereitet wurde, entschloss sich Murdo, in einer Ecke des Kirchhofs ein Grab auszuheben. Auch wenn Torf-Einar, wie er selbst gesagt hatte, nicht gerade zu den besten Schafen des Herrn gezählt hatte, so war er dennoch ein Teil der Herde. Ich bot an, bei der Arbeit zu helfen, doch mein Vater wollte das Grab allein bereiten.
    Bei Sonnenuntergang wurde der Leichnam hinausgebracht und zur

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