Der Gast des Kalifen
Seils wickelte ich um mein Handgelenk; dann zog ich das Boot zur Treppe und befahl Wazim, das Heilige Kreuz auf die Stufen hinter mir zu legen und ins Boot zu steigen. »Ich werde es für dich ruhig halten«, sagte ich ihm. »Wenn du bereit bist, gebe ich dir das Kreuz.«
Langsam kletterte Wazim ins Boot. Mit übertriebener Vorsicht reichte ich ihm den Schwarzen Stamm und wies ihn an, ihn aufrecht zwischen seine Knie zu klemmen und immer mit einer Hand festzuhalten. Dann war ich an der Reihe. Es gelang mir, ins Boot zu klettern, ohne es zum Kentern zu bringen. Anschließend ließ ich die Strömung uns drehen, und nachdem der Bug herumgeschwungen war, stieß ich uns ab.
Die Strömung war nicht schnell; nur langsam trieb das Boot davon. Es war ein seltsames Gefühl, sich auf solche Art durch vollkommene Dunkelheit zu bewegen. Wäre nicht der sanfte Luftzug gewesen, der uns in die Gesichter wehte, wir hätten genauso gut mitten auf dem Wasser sitzen können, ohne uns zu bewegen. Dennoch steckte ich von Zeit zu Zeit die Hand ins Wasser, um mich zu vergewissern, dass wir auch tatsächlich fuhren. Einmal prallten wir gegen die Kanalwand, was uns beide erschreckte und Wazim ängstlich aufschreien ließ. Es gelang mir, uns wieder abzustoßen, und von nun an streckte ich die Hände aus, um einen weiteren Zusammenstoß zu vermeiden.
Der Schaden war jedoch bereits angerichtet. Das Boot war alt, das
Holz verrottet, und auch wenn der Aufprall nur schwach gewesen war, so hatte sich doch eine Planke gelockert, und Wasser sickerte ins Boot. Ich bemerkte das, als meine Füße auf einmal nass wurden. Ich griff hinunter und musste feststellen, dass bereits eine gewisse Wassermenge eingedrungen war.
»Beweg dich so wenig wie möglich«, warnte ich Wazim. »Das Leck ist nicht groß, und wir können immer noch unser Ziel erreichen, ohne dass das Boot ganz voll gelaufen ist.«
Damit sollte ich jedoch nicht Recht behalten. Schon bald stand uns das Wasser bis über die Knöchel. Es hinauszuschöpfen war sinnlos. Zwar versuchte ich es eine Weile mit den Händen, doch es drang bei weitem zu viel Wasser ein. »Kannst du schwimmen, Wazim?«, fragte ich.
»Nein, Herr«, antwortete er mit zitternder Stimme.
Ich versicherte ihm, ich könne gut genug für uns beide schwimmen und dass er sich keine Sorgen zu machen brauche. Das versicherte ich ihm auch noch, als das Boot plötzlich wieder gegen die Kanalwand prallte und das Leck sich weiter öffnete. Ich spürte, wie das Wasser weiter stieg und sagte: »Hör mir jetzt gut zu, Wazim. Ich werde jetzt aus dem Boot und ins Wasser steigen. Du bleibst, wo du bist, und rührst dich nicht. Ich werde mich an der Bootswand festhalten. Alles wird gut.«
Dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen erwies sich jedoch als weit schwieriger als erwartet, zumal die Dunkelheit mir zusätzliche Probleme bereitete; selbst die einfachsten Bewegungen bargen nicht wenige Schwierigkeiten. Am Ende gelang es mir jedoch, über die Seitenwand hinabzugleiten, ohne das wackelige Gefährt zum Kentern zu bringen. Das Wasser war nicht übermäßig kalt, und ich schätzte, dass wir es nun, da mein Gewicht nicht mehr im Boot war, bis zum Fluss schaffen konnten.
Noch zweimal kurz hintereinander prallten wir gegen die Kanalmauer, und der zweite Aufprall drehte das Boot herum. Obwohl ich mich im Wasser befand, gelang es mir auch diesmal, das Boot vor dem Kentern zu bewahren, und wir hätten es sicherlich auch bis zu unserem Ziel geschafft, wäre die Strömung nicht in ebendiesem Augenblick schneller geworden. Ich konnte den Grund dafür nicht sehen, doch vermutete ich, dass der Kanal sich verengt hatte.
Und dann hörte ich in der Ferne das Rauschen eines Wasserfalls oder eines Wehrs. Um Wazim nicht zu beunruhigen, sagte ich so ruhig wie möglich: »Ich glaube, es wäre eine gute Idee, wenn du jetzt zu mir ins Wasser kommen würdest.«
»Ich bin hier im Boot ganz glücklich, Da'ounk«, erwiderte Wa-zim in ängstlichem Tonfall.
»Ich glaube, dir bleibt keine andere Wahl, Wazim. Ich möchte, dass du mir zuerst den Holzbalken gibst; dann lass dich langsam über die Seite zu mir herunter. Wir können uns an der Bootskante festhalten. Das Boot wird noch lange schwimmen, selbst wenn es mit Wasser gefüllt ist.«
Ich spürte Wirbel im Wasser um mich herum, während die Strömung immer mehr an Stärke zunahm. Das Rauschen wurde lauter. In der Dunkelheit war unmöglich festzustellen, wie tief es hinunterging oder in welcher Entfernung der
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