Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
Vom Netzwerk:
Summen von Fliegen über unseren Köpfen, während wir am sandigen Ufer standen und das lebensspendende Sonnenlicht aufunseren Gesichtern genossen.
    Jenseits des Flusses leuchteten die kleinen Lehmziegelhütten der Handwerker und Bauern im blassgoldenen Licht der Morgensonne. Ein Mann und ein Junge führten einen Ochsen ans Ufer und scheuchten dadurch zwei Reiher auf. Draußen auf dem Wasser setzte eines der eleganten ägyptischen Schiffe gerade das Segel, um seine Reise gen Norden zu beginnen. Alles war so friedlich, hell und ruhig, dass uns unsere Leiden der vergangenen Nacht klein und unbedeutend und sehr weit weg erschienen.
    Ich blickte das Ufer hinunter. So weit das Auge sehen konnte, war es mit Schilf und Gras bewachsen. Während ich dort stand, spürte ich, wie etwas gegen mein Bein prallte. Ich blickte hinunter und sah ein Stück unseres zerstörten Bootes, das aus dem Kanal herangetrieben war, und darin verfangen mein Papyrusbündel.
    »Gute Neuigkeiten, mein Freund«, krächzte Wazim fröhlich. »Gott hat Euch Eure Schriften zurückgegeben!«
    »Ich wünschte, er hätte ein wenig besser auf sie aufgepasst«, erwiderte ich und zog das durchnässte Bündel aus dem Strom. Tintenblaues Wasser tropfte aus einer Ecke. Die Blätter in meinem Wams waren mit Sicherheit nur noch eine einzige schwarzblaue Masse. Ich hatte weder den Mut, das Bündel zu öffnen, noch es fortzuwerfen; also warf ich es mir wieder über die Schulter, und wir machten uns auf den Weg.
    Wazims Schätzung nach befanden wir uns ein gutes Stück südlich des Kais, und so wateten wir am Ufer entlang, bis wir einen Tram-
    pelpfad fanden, der hinaufführte. Die Stadtmauer bog nach Osten ab, fort vom Fluss, der sich um einen großen Haufen honigfarbe-ner Felsbrocken in entgegengesetzter Richtung wand.
    Meine feuchten Kleider begannen in der Sonne zu trocknen, und obwohl ich vollkommen erschöpft war, besserte sich meine Stimmung erheblich. Jeder Schritt brachte mich dem freudigen Wiedersehen mit Padraig, Sydoni und Jordanus näher und somit auch meiner Heimat. Das Heilige Kreuz lag schwer auf meiner Schulter, doch das Gewicht machte mir nichts aus. Angesichts dessen, was unser Herr und Erlöser um meinetwillen ertragen hatte, hätte ich es von einem Ende der Welt zum anderen geschleppt.
    Nach einer Weile erreichten wir eine Gruppe von Hütten mit kleinen grünen Bohnen-, Melonen-, Zwiebel- und Knoblauchfeldern dahinter. Rauch von Kochfeuern wehte über den Weg, und ich roch Brot und Fleisch. Der Geruch ließ meinen Magen knurren und erinnerte mich so daran, dass ich schon seit geraumer Zeit nichts mehr gegessen hatte. Ich blieb stehen und schaute mich um. »Glaubst du, wir könnten uns etwas zu essen erbetteln?«, fragte ich.
    »Ja«, antwortete Wazim und sah sich ebenfalls um, »aber nicht hier.« Er setzte sich wieder in Bewegung.
    »Warum nicht?«, erkundigte ich mich. »Ist es, weil sie Mohammedaner sind?«
    »Schlimmer«, erwiderte Wazim und senkte die Stimme. »Es sind Heiden. Götzenanbeter. Sehr schlimme Leute.«
    »Woher weißt du das?« Die Hütten schienen mir recht gewöhnlich zu sein. Es gab Tausende von ihnen entlang des Flusses.
    Wazim wollte jedoch nicht mehr sagen, und so gingen wir weiter, durch eine kleine Siedlung nach der anderen, bis wir schließlich zu einer gelangten, in der Wazim anhielt. »Das hier sind Kopten«, erklärte er.
    »Woher weißt du das?«, fragte ich erneut.
    »Ein wahrer Kopte lebt stets in Sichtweite einer Kirche.« Er streckte die Hand aus und sagte: »Seht Ihr?«
    Ich folgte seinem Finger und sah ein kleines weißes Gebäude mit einer glockenförmigen Kuppel, deren Spitze ein schlichtes Kreuz zierte; abgesehen davon war das Gebäude nur wenig bemerkenswert. »Wir werden schon bald etwas zu essen haben.«
    Wir gingen zu der kleinen Kirche. Wazim klopfte an die Tür, die aus wenig mehr als aus Treibgut zu bestehen schien. Sein Klopfen wurde von einem alten Mann mit langem weißen Bart beantwortet, der eine schwarze Robe trug. Ein Auge des Mannes war eingefallen, die Höhle leer, und das andere war wässrig und trüb, doch er begrüßte uns mit einem zahnlosen Lächeln, presste die Hände zusammen und verneigte sich.
    Wazim tat es ihm nach, und die beiden redeten kurz miteinander, aber leidenschaftlich in ihrer Sprache und begleitet von allerhand Gesten. Der alte Priester hob den Kopf, spie aus, packte mich dann am Arm und führte uns über die festgestampfte Erde zu einer winzigen Hütte, an deren Tür er

Weitere Kostenlose Bücher