Der Gast des Kalifen
hereinfallen wird.«
Eirik betrachtete mich mit einer Mischung aus Verärgerung und Mitleid. »Duncan, Duncan, was sagst du da? Glaubst du wirklich, ich hätte diese Geschichte erfunden? Ist es das, was du denkst?«
»Natürlich hast du sie erfunden«, erwiderte ich. »Mir ist das egal, aber.« Er rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf. »Was? Willst du etwa behaupten, du hättest die Wahrheit gesagt?«
»Im Namen von allem, was heilig ist, es ist die reine Wahrheit«, erklärte er. »Es ist genauso geschehen, wie ich es euch erzählt habe. Warum sollte ich mir solch eine Geschichte ausdenken?«
»Um ein Geheimnis zu lüften.«
Nun verstand mein Bruder, worauf ich hinauswollte. »Murdos und Emlyns Geheimnis. Ist es das, was du meinst? Du glaubst, ich hätte mir diese Geschichte ausgedacht, um sie zu einem Geständnis zu überlisten?«
»Ja«, gestand ich. »Das habe ich geglaubt. Und ich hoffe auch, dass es funktioniert.«
»Bruder«, erwiderte Eirik und lächelte, »du bist weit verschlagener, als ich bisher gedacht habe. Ich glaube, du hast die Hinterlist des jungen Herrn Murdo geerbt; so viel ist jetzt klar. Aber so wahr Gott mein Zeuge ist«, schwor er ernst, »es ist genauso geschehen, wie ich gesagt habe.«
»Also gut«, räumte ich ein und nahm ihn beim Wort. »Aber glaubst du auch, dass es etwas bewirken wird?«
»Es könnte«, erwiderte Eirik und klopfte sich nachdenklich mit dem Finger auf die Unterlippe. »Wir müssen schlau wie die Füchse sein. Sprich mit keinem von beiden darüber. Überlass das mir. Ich glaube, ich weiß, wie wir vorgehen müssen.«
Dann trennten wir uns, und Eirik eilte in die Abtei zurück.
»Wann?«, rief ich ihm hinterher.
»Bald«, antwortete er. »Überlass das mir.«
Zum Abendessen erschien Eirik mit mürrischer, strenger Miene. Er sprach nur wenig und starrte auf sein Essen, als befürchtete er, es sei vergiftet. Wenn jemand ihn ansprach, erhielt er nur ein freudloses Nicken oder ein halbherziges Grunzen zur Antwort. Eiriks Trübsinn befiel die anderen im Raum, sodass die Unterhaltung halbwegs zum Erliegen kam und die Leute nur noch im Flüsterton miteinander sprachen aus Furcht, den schwermütigen Kirchenmann zu stören.
Als Gastgeber versuchte Murdo zunächst, die düstere Stimmung seines Sohns zu ignorieren. Als das jedoch schließlich unmöglich wurde, fragte er: »Bist du krank? Du siehst aus, als hättest du dir die ganze Last der Welt auf die Schultern geladen.«
Langsam hob Eirik den Blick, als sinniere er über den Grund für alles Leid der Menschen. »Kümmere dich nicht um mich, Vater«, gab er feierlich kund. »Die Last, die ich zu tragen habe, ist die meine; niemand muss mir dabei helfen.«
»Gibt es nichts, was wir für dich tun können?«, erkundigte sich Frau Ragna.
»Ich fürchte nicht«, antwortete Eirik und seufzte laut. »Es war meine Vision, und es macht mich krank, noch nicht zu wissen, was sie zu bedeuten hat. Also werde ich darüber nachdenken, bis ich es herausfinde oder wahnsinnig geworden bin.«
Er stand auf und schickte sich an aufzubrechen. »Es tut mir Leid. Ich hätte heute Abend nicht an die Tafel kommen sollen. Ich habe Euch ein gutes Mahl verdorben, und dafür bitte ich Euch um Verzeihung.« Er verneigte sich vor seiner Mutter. »Frau Mutter, ich wünsche Euch eine gute Nacht.«
Herr und Frau tauschten einen Blick aus. Ragna drängte ihren Gatten mit den Augen. »Warte«, sagte Murdo und rief Eirik zurück. »Vielleicht gibt es ein Heilmittel für dein Leiden. Komm zurück, und setz dich. Iss etwas. Ich werde den Abt rufen, und wenn du dich wieder ein wenig besser fühlst, werden wir reden.«
»Herr Vater«, sagte Eirik und nahm seinen Platz wieder ein, »darf ich hoffen, dass Ihr etwas wisst, was meinem Geist Frieden schenken könnte?«
»Vielleicht«, ließ sich Murdo entlocken. »Vielleicht. Aber dies hier ist nicht der geeignete Ort, um darüber zu sprechen. Iss etwas, mein Sohn. Womöglich hast du ja doch noch etwas Appetit in dir. Der Abt wird gleich hier sein.«
Murdo befahl einem der Diener, den Abt zu holen, und die Gespräche wurden wieder ein wenig lebendiger. Wie ich bemerkte, dauerte es nicht lange, bis Eirik seinen Appetit wiedergefunden hatte. Als Abt Emlyn schließlich eintraf, war mein Bruder bereits beim dritten Laib Gerstenbrot und der zweiten Schüssel Eintopf.
Der stattliche Abt setzte sich an die Tafel, lehnte ein Stück Fleisch ab, nahm aber gerne einen Becher braunen Biers. Begierig, das
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