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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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für mich wie der Fund eines Silberschatzes. Ich drückte mein Auge ans Schloss der größten von ihnen und sah etwas Goldenes darin funkeln.
    Schritte vor der Tür hielten mich davon ab, auch die anderen drei aufähnliche Weise zu untersuchen. Aber jener eine Blick reichte aus, meine kindliche Vorstellung über Tage hinweg zu beschäftigen.
    Doch die Wahrheit ist noch weit erstaunlicher, Cait. Eines Tages wirst du sie selbst entdecken.
    In jener Nacht galten meine Gedanken jedoch nicht dem Schatz. Ich betrat den niedrigen, von Kerzen erleuchteten Raum mit dem Tablett in der Hand, und bevor irgendjemand etwas zu meiner Anwesenheit bemerken konnte, begann ich die Becher zu füllen, als wäre das meine übliche Arbeit. Emlyns füllte ich als ersten, dann ging ich zu Eirik und schließlich zu Murdo. Mein Vater dankte mir, besann sich dann jedoch und fragte mich, was mit Haldi sei.
    Ich antwortete ihm, dass die Frau ihn geschickt habe, dem Koch zu helfen, und mich habe sie gebeten, seinen Platz einzunehmen. »Wenn du schon einmal hier bist«, sagte Eirik, »dann kannst du auch genauso gut bleiben und es dir anhören.«
    Der Vorschlag gefiel meinem Vater ganz und gar nicht; das war schwer zu übersehen. Er wollte Eirik gerade widersprechen, als Abt Emlyn sich zu Wort meldete. »Ja, lass Duncan bleiben.«
    »Hältst du das für klug?«, fragte Murdo zweifelnd.
    »Wenn du von ihm erwartest, dass er der Wahrheit dient«, erklärte der Abt, »dann muss er sie auch erfahren. Ja, lass ihn bleiben.«
    Seine Worte jagten mir einen Schauder der Erregung über den Rük-ken. Steckte vielleicht sogar noch mehr dahinter, als ich vermutet hatte?
    Murdo hatte die Stirn noch immer in Falten gelegt, und alle warteten wir auf seine Entscheidung. »Also gut«, gab er schließlich nach. »So sei es.« Er winkte mir, die Tür zu schließen und mich zu setzen.
    Ich tat, wie mir geheißen, und hockte mich auf die große Eichentruhe, deren Inhalt ich vor Jahren hatte ausspähen wollen. »Wir haben gerade von der Vision deines Bruders gesprochen«, berichtete mir mein Vater. »Was ich nun sagen werde, wissen nur drei Menschen auf der Welt. Emlyn, mein alter Freund, ist einer von ihnen. Deine Mutter ist der andere.«
    Er hielt kurz inne, als wisse er plötzlich nicht mehr, ob er fortfahren solle oder nicht. »Sprich«, ermahnte ihn Emlyn. »Ich glaube, so ist es am besten.«
    Murdo nickte. Er drehte sich zu Eirik um und sagte: »Vor langer Zeit, als ich ein junger Mann war - eigentlich noch ein Kind - sah auch ich den Weißen Priester.«
    Das überraschte mich.
    »Ich sah ihn zweimal«, fuhr er fort. »Einmal in Antiochia und einmal in Jerusalem. Er erschien mir und forderte mich auf, ein Königreich für ihn zu errichten.« Murdo hielt kurz inne, während er sich erinnerte und fügte mit einer weit ausholenden Geste, die nicht nur das Haus, sondern auch das Land mit einschloss, hinzu: »Das zu tun, habe ich mir alle Mühe gegeben.«
    »Das Versprechen«, sagte Eirik. »Er sagte, der Herr des Versprechens sei zufrieden. Er hat Gefallen an deinem Tun gefunden, Vater.«
    Murdo nickte nachdenklich. »Vieles ist im Heiligen Land geschehen, und das meiste davon sollte besser vergessen werden. Auch wenn ich meinem Schwur treu geblieben bin, so fürchtete ich in letzter Zeit doch, seine Erfüllung nicht mehr mitzuerleben. Tatsächlich hatte ich schon geglaubt, nie mehr von dem Weißen Priester zu hören.«
    »Bis heute«, sagte Eirik.
    »Bis heute«, bestätigte Murdo.
    »Verzeih mir, Vater«, mischte ich mich ein. »Aber wer ist der Weiße Priester? Ist er ein Geist?«
    »Vielleicht«, antwortete mein Vater. »Er könnte ein Engel sein. Ich weiß es nicht. Er sagte mir, sein Name laute Andreas, und er erschien in der Gestalt eines Mönchs - zumindest sah er für mich wie einer aus.« Erneut versank er kurz in seinen Erinnerungen. »Doch auch wenn ich es nicht so genau weiß, so glaube ich doch, dass er mich durch alles geleitet hat, was dann folgte. Von jenem Tag bis heute hat er mich bei jedem meiner Schritte geführt.«
    Murdo fuhr fort zu erzählen, wie er tief in den Katakomben unter der Kirche der Heiligen Maria vor den Mauern von Jerusalem gewesen war, als er den Weißen Priester ein zweites Mal gesehen hatte. »Ich war nur einen Augenblick lang allein und wartete auf die Rückkehr der anderen; da ist er mir erschienen«, erklärte Murdo, und seine Stimme nahm einen sanften Tonfall an, als seine Erinnerungen ihn Jahre zurück in die Vergangenheit

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