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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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fort gewesen, als er plötzlich wieder zurückkehrte und verkündete, er habe eine Vision gehabt. Alle versammelten sich um ihn, um zu hören, was geschehen war.
    »Wir lagerten in der Nähe eines Baches«, erzählte er uns, »und ich kümmerte mich um das Feuer, während die guten Brüder einen Brei zubereiteten. Ich beugte mich über die Flammen, als ich plötz-lich jemanden aus dem nahen Wald nach uns rufen hörte. Ich schaute mich um und fragte die Brüder, wer das wohl sein könne, denn die nächste Siedlung war weit entfernt; doch sie hatten nichts gehört.
    Ich wartete ein wenig, und die Stimme rief erneut. Hatten die guten Brüder auch nur das leiseste Geräusch gehört? Nein, das hatten sie nicht. Hier«, sagte der Bischof, »fragt sie. Sie werden es euch bestätigen.«
    »Was habt ihr gehört?«, fragte einer der Pächter.
    »Wir haben nichts gehört«, antwortete ein Mönch.
    »Und während ich darüber nachdachte, was das wohl zu bedeuten hatte, trat ein Mann aus dem Wald. Er war ganz und gar in Weiß gehüllt, und er nannte mich beim Namen. Als ich unseren Besucher begrüßte und ihn den Brüdern vorstellen wollte, konnten diese ihn nicht sehen.«
    »Wir haben ihn nicht gesehen«, bestätigten die Kirchenmänner. »Wir haben nichts gesehen und nichts gehört.«
    Die Pächter blickten einander ob dieses Wunders mit großen, staunenden Augen an, und ich glaubte den Braten allmählich zu riechen.
    Merkwürdig war nur, dass Murdo vollkommen still war; er wirkte seltsam nachdenklich.
    »Dieser Fremde bat mich, ihn ein Stück zu begleiten, und um die Wahrheit zu sagen, wollte ich das nicht«, fuhr Eirik fort. »»Fürchte dich nicht, mein Bruder<, sagte der Weißgewandete. >Dir wird kein Leid geschehene Also fragte ich: >Wer seid Ihr, Herr?< Denn ich dachte, dass vielleicht ein Engel herabgestiegen sei, um mit mir zu sprechen.«
    »Oh, ja«, murmelten die Pächter wissend, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, mit einem Engel zu sprechen.
    Eirik hob die Hände, um Schweigen zu gebieten, und fuhr dann fort: »Der Fremde blickte mich an und sagte: >Ich bin ein Freund, und deiner Familie wohl bekannt.< Und ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. >Wie kann das sein?<, fragte ich schließlich.
    >Ich habe Euch noch nie zuvor gesehen.< Das ließ den Fremden lächeln. >Bruder Eirik<, sagte er zu mir, denn er kannte ja, wie gesagt, meinen Namen, >komm, ich muss mich an meine Arbeit machen.<
    Er drehte sich um, entfernte sich ein Stück vom Lager und winkte mir, ihm zu folgen. Das tat ich auch, und er sagte: >Der Tag ist nahe, da die Kirche, die dein Vater baut, mein Heim sein wird. Sag Murdo, er soll nach mir Ausschau halten.<
    Ich stimmte zu, die Botschaft auszurichten, und fragte: >Welchen Namen soll ich ihm nennen?< Und nun folgt der seltsamste Teil der Geschichte, denn der Fremde hob nur die Hand zum Lebewohl und antwortete: >Sag ihm, der Herr des Versprechens ist mit seinem Diener höchst zufrieden.<
    Und dann«, schloss Eirik seinen Bericht ab, »verschwindet er im Wald, wie er gekommen ist.«
    Die Pächter schnatterten voller Staunen, und als ersichtlich wurde, dass der Bischof ihnen nichts mehr zu berichten hatte, gingen sie kopfschüttelnd und voller Ehrfurcht ob dieser wunderbaren Begebenheit davon.
    »Ich habe die Nachricht überbracht, Vater«, sagte Eirik. »Was hat sie zu bedeuten?«
    »Es war deine Vision«, erwiderte Murdo in scharfem Tonfall. »Sag du es mir.« Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und ging rasch davon.
    Der Bischof schickte seine Mönche zur Abtei, und ich ging mit Eirik Richtung Halle. »Das hast du gut gemacht«, lobte ich ihn, als wir endlich allein waren. »Wie hast du das mit dem Weißen Priester herausgefunden?«
    Eirik blieb mitten im Schritt stehen und drehte sich zu mir um. »Woher weißt du, dass es ein Priester war?«, verlangte er zu wissen.
    »Du wirst es wohl gerade gesagt haben.«
    »Ich habe nichts dergleichen gesagt«, erklärte Eirik, und ich spürte, wie sich mir die Nackenhaare sträubten.
    »War er ein Priester?«, fragte ich.
    »Du weißt ganz genau, dass er einer war«, antwortete Eirik. »Doch diesen Teil der Geschichte habe ich absichtlich verschwiegen. Du musst es von jemand anderem wissen.«
    »Ebenso wie du«, warf ich ihm vor. »Ich weiß, was du hier zu tun versuchst. Die Pächter magst du mit deinem Gerede von Visionen in der Nacht ja vielleicht täuschen, aber mich nicht, und ich bezweifele auch, dass Murdo darauf

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