Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
Vom Netzwerk:
zu diesem wunderbaren Treffen führten.
    »Wir redeten miteinander, und er forderte mich auf, ihm zu dienen. Ich fragte, was er wolle, das ich tun soll, und er sagte, er wolle, dass ich ihm ein Reich errichte, wo seine Schafe in Frieden weiden könnten. Er sagte: >Errichte es weit, weit weg vom Ehrgeiz kleingeistiger Menschen und ihrem Streben nach Macht und Reichtum. Mache es zu einem Königreich, wo die Menschen in Frieden dem Wahren Weg folgen können, und wo das Heilige Licht den Suchenden den Weg weist.< Seht ihr«, sagte Murdo und lächelte verlegen, »nach all den Jahren kann ich mich noch an jedes einzelne Wort erinnern.«
    »War das das erste Mal, dass du vom Wahren Weg gehört hast?«, fragte ich.
    »Nein, nein«, erwiderte Murdo, den die Frage offenbar ein wenig überrascht hatte. »Es war Emlyn, der mir davon erzählt hat. Ronan und Fionn - ihr erinnert euch doch sicherlich; du und Eirik, als ihr noch Kinder wart, habt ihr sie ein-, zweimal getroffen - Ronan und Fionn haben mich auch gelehrt. Doch damals habe ich mir nur wenig von dem zu Herzen genommen, was sie gesagt haben. Ich habe Priester gehasst - und das aus gutem Grund, wie euch viele bestätigen werden.«
    »Dann ist das hier noch weit bemerkenswerter, als ich vermutet habe«, bemerkte Eirik.
    »Wie das?«, fragte Emlyn. »Die Cele De waren schon immer die Hüter des Wahren Weges und die Bewahrer des Heiligen Lichts.«
    »Und das glaube auch ich aus tiefstem Herzen«, erklärte mein Bruder. »Aber heute ist mir in einer Vision ein Mann erschienen, der mir gesagt hat, er komme zu uns, um hier zu leben. Warum scheint jeder über den Weißen Priester Bescheid zu wissen außer mir?«
    »Vor dem heutigen Tag habe ich noch nie darüber gesprochen«, erwiderte Murdo. »Für Emlyn gilt das Gleiche. Wer sollte denn noch von ihm wissen?«
    Eirik deutete mit dem Finger auf mich. »Duncan weiß es«, antwortete er und erzählte ihnen von unserem Gespräch kurz nach seiner Rückkehr.
    »Ist das wahr, Duncan?«, fragte Murdo, und ich gestand, dass es sich tatsächlich so verhielt. »Wie bist du an dieses Wissen gelangt?«
    »Torf-Einar hat es mir erzählt, bevor er gestorben ist«, antwortete ich und berichtete, was ich über die heiligen Reliquien und ihren geheimnisvollen Wächter wusste. »Torf sagte, in Antiochia sei der Weiße Priester den Pilgern erschienen und habe ihnen befohlen, in der Kirche nach der Lanze der Kreuzigung zu graben.« Um meine Unschuld zu beteuern, breitete ich die Arme aus und fügte hinzu: »Ich hatte ja keine Ahnung, dass das Teil eines Geheimnisses war.«
    Im Laufe des Gesprächs war Abt Emlyn immer schweigsamer und nachdenklicher geworden. Er warf Murdo einen sanften, doch tadelnden Blick zu. Mein Vater wurde daraufhin immer unruhiger und platzte schließlich heraus: »Also gut!« Er stieß den Finger nach dem Abt. »Wenn deine Nörgelei dann aufhört, werde ich ihnen alles erzählen.«
    Mit diesen Worten ging er zu einer der Truhen, und ich glaubte schon, er wolle sie aufschließen. Stattdessen schob er jedoch eines der Eisenbänder beiseite und zog einen langen Stab hervor mit einem flachen Haken an der Spitze. Meine Neugier wuchs, als er dann in die Mitte der Kammer trat und sich eine Bodenplatte aussuchte. Er schob den flachen Haken in den Zwischenraum der Steine, stemmte die Platte auf und hob sie hoch.
    Anschließend kniete er nieder, griff in einen von Steinen ummantelten Hohlraum und holte ein langes, dünnes Lederbündel hervor, dass er zum Tisch brachte, wo er es öffnete. Eirik und ich rückten näher heran, um besser sehen zu können, und auch Emlyn trat an den Tisch, faltete die Hände, und sein rundes Gesicht nahm einen verzückten Ausdruck an.
    Unter dem Leder befand sich eine Schicht feinen Leinens und darunter noch eine. Mein Herz schlug immer schneller, bis schließlich auch das letzte Stück Tuch beiseite geschlagen wurde und ... und ein Teil alten, verbogenen und verrosteten Eisens zum Vorschein kam. Aufgrund der Ehrfurcht, mit der sowohl Murdo als auch Em-lyn das Eisen betrachteten, wusste ich, dass es ein sehr wertvolles, nein, ein geradezu heiliges Ding sein musste; aber sosehr ich mich auch bemühte, ich konnte mir nicht vorstellen, was der Grund dafür war. Enttäuscht betrachtete ich den dünnen Stab. Das?, dachte ich. Das ist das Geheimnis, das sie über all die Jahre hinweg gehütet haben?
    Eirik wiederum war sprachlos vor Staunen. Er schnappte hörbar nach Luft, sank auf die Knie, hob die Hände und

Weitere Kostenlose Bücher