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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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wenn wir uns erst verhältnismäßig spät wirklich angefreundet hatten. Dennoch entdeckte ich ständig neue und seltsame Züge an ihm; seine Fähigkeit, mich immer wieder zu erstaunen, kannte keine Grenzen.
    In diesem Sinne glich er seinem Onkel, Abt Emlyn, der mit Wort oder Tat ständig die gesamte Siedlung in Staunen versetzte. Es war, als würde der Brunnen, aus dem man täglich Wasser schöpfte, immer wieder neue Tiefen enthüllen. Padraig und Emlyn waren natürlich Kelten, und das erklärte einiges, wenn auch nicht alles. Die Abtei und ihre Lehren waren ebenfalls mit für diese Seltsamkeit verantwortlich - wie sehr, dass konnte ich damals nicht wissen. Doch, Cait, ich sollte sehr bald herausfinden, dass die Abtei des heiligen Andreas für weit mehr verantwortlich war als nur für die Eigentümlichkeiten zweier Kirchenmänner.
    Nachdem wir den ersten Hügel überquert hatten und außer Sichtweite der Mühle waren, blieb Padraig stehen und gestattete uns, ihn einzuholen. Er stand mitten auf der Straße umgeben von seiner Herde, die mehr einer andächtigen Gemeinde denn einem Rudel Schweine glich. »Ich hätte ja auf euch gewartet«, sagte er, »aber ich wusste nicht, wie lange die Rune noch wirken würde. Ich hielt es für das Beste, weiterzugehen, bis wir uns weit genug von diesem bösen Haus entfernt haben.«
    »Wie hast du das gemacht?«, fragte Roupen. »Wären es Mäuse gewesen, sie hätten nicht leiser sein können.«
    »Ich habe ihnen gesagt, dass ich sie nach Hause bringe«, antwortete der Mönch. »Ich habe sie gebeten, still zu sein, damit die bösen Männer, die in dem Haus leben, nicht kommen und uns aufhalten würden.«
    »Das hast du gut gemacht«, lobte ich ihn. »Niemand ist aufgewacht, und auch von den Hunden haben wir noch nicht einmal
    ein Schnarchen gehört.«
    »Und doch«, sagte Padraig und blickte die Straße hinter uns hinab, »ist man dir gefolgt.«
    Ich drehte mich um und rechnete mit dem Schlimmsten, doch ich sah nur zwei verloren aussehende Ochsen, die hinter uns herwankten. Ich vermute, die Tiere waren durch das Loch in der Mauer gegangen, und als sie das andere Vieh gesehen hatten, waren sie schlicht der Herde gefolgt. »Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Rou-pen.
    Auch wenn mir der Gedanke nicht gefiel, mit den beiden Tieren erwischt zu werden - die anderen brachten wir ja schließlich nur ihren rechtmäßigen Eigentümern zurück -, brachte ich es doch nicht übers Herz, sie wieder zurückzubringen. »Wenn sie uns folgen wollen, dann weiß ich nicht, wie wir sie davon abhalten sollten. Außerdem wäre es grausam, sie an jenem Ort zurückzulassen.«
    Ohne anzuhalten, marschierten wir fast bis Sonnenaufgang; erst dann begannen wir, nach einem Ort Ausschau zu halten, wo wir den Tag verbringen konnten. Ich hatte bereits beschlossen, dass es klüger war, den Tag über zu rasten und bei Nacht zu gehen. Am Morgen würde der Müller vermutlich das Fehlen des Viehs bemerken und sich auf die Suche nach ihm machen. Zwar hatte ich keine Pferde bei der Mühle oder in der näheren Umgebung gesehen, doch der diebische Bruder des Mannes besaß welche, und wenn man diesen zur Hilfe rufen würde, hätte er uns rasch eingeholt.
    Am Fuß eines der nächsten Hügel fand ich, was ich suchte: eine Gruppe von Bäumen nicht weit weg von der Straße, und doch so am Hang gelegen, dass sie vom Weg aus kaum einsehbar waren. Während Padraig und Roupen die Tiere in das Wäldchen führten, brach ich ein paar mit Blättern bewachsene Äste von einem Busch, marschierte den letzten Hügel wieder hinauf und begann, unsere Spuren zu verwischen.
    Als ich schließlich fertig war, ging die Sonne auf. Ich warf einen letzten Blick in Richtung Siedlung, dann rannte ich in den Schutz des Wäldchens. Es bestand größtenteils aus Buchen, und obwohl die Bucheckern noch nicht reif waren, rissen wir ein paar Äste herunter, damit die Schweine darauf herumkauen konnten, bevor wir uns selbst hinlegten und warteten. »Bei Sonnenuntergang gehen wir weiter«, erklärte ich und reichte den Wasserschlauch an Roupen. »Wir werden abwechselnd die Tiere bewachen müssen, damit sie sich nicht einfach so davonmachen.«
    Padraig übernahm die erste Wache und Roupen die zweite; ich schlief ein und wurde gegen Mittag von einem Klopfen geweckt. Ich blickte mich rasch um und sah Roupen mit einem Stock in der Hand auf einem Felsen sitzen; er schlug mit dem Stock gegen den Fels, während er die Schweine beobachtete, die im Boden nach Futter

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