Der Gast des Kalifen
wird er den Zorn eines wahren Nordmanns kennen lernen.«
Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns von dem Bauern; die Frauen brachten uns noch ein paar kleine Brotlaibe und ein großes Stück Schinken. Sie steckten den Proviant in einen Beutel, drückten ihn ohne ein weiteres Wort Dodu in die Hand und gingen wieder. Dann beobachteten sie uns von der Tür des frisch reparierten Hauses aus.
Drei Tage später stiegen wir den Hügel über der Siedlung an der Saône hinab. Ich dachte darüber nach, die Mühle zu umgehen und den Ort auf einem anderen Weg zu betreten, doch solch einen anderen Weg gab es nicht. Also schritten wir kühn voran und eilten in Richtung der Landestelle der Schlepper.
Als wir an der Mühle vorüberkamen, gestattete ich mir einen kurzen Blick zur Seite, um zu sehen, ob wir entdeckt worden waren, doch in Haus und Hof herrschte Stille; niemand war zu sehen. Auch der Landesteg war leer, und wir verschwendeten keine Zeit, das Boot zu Wasser zu lassen. Während Dodu und seine Ochsen ihre Arbeit taten, ging Roupen in die Stadt, um von den dortigen Händlern Proviant zu kaufen.
Kurze Zeit später war das Boot bereit, und ich war begierig darauf, aufzubrechen, bevor der Müller und sein diebischer Bruder bemerkten, dass wir in der Siedlung waren; doch der junge Herr war noch immer nicht zurückgekehrt. »Was kann ihn nur aufgehalten haben?«, murmelte ich und befahl Sarn und Padraig, beim Boot zu bleiben und sich zum Ablegen bereitzuhalten, während ich selbst mich auf die Suche nach unserem Gefährten machte.
Es fiel mir nicht schwer, ihn zu finden. Denn als ich auf der schmalen Straße zwischen den Häusern ging, hörte ich einen Chor wütender Stimmen, die von dem kleinen Platz aus festgestampfter Erde herüberschallten, der dem Ort als Marktplatz diente. In der Platzmitte stand ein Brunnen und um ihn herum die Stände und Karren der örtlichen Kaufleute und Bauern.
Ich eilte auf den Platz und sah eine Menschenmenge, die sich neben dem Brunnen versammelt hatte; sie riefen aufgeregt durcheinander wegen etwas, das vor ihnen stattfand. Ich trat näher und hörte das Knallen eines Riemens auf Fleisch, gefolgt von einem Stöhnen. Ich drängte mich durch die Menge nach vorne und sagte mit lauter Stimme: »Wenn du nicht für den Rest deines Lebens Suppe durch einen Schilfhalm schlürfen willst, dann rate ich dir, lass den Riemen fallen.«
Der Schläger hielt mitten im Schlag inne und drehte sich langsam um. Roupen lag zu seinen Füßen, und seine Arme, die er über den Kopf gelegt hatte, um sich zu schützen, waren von leuchtend roten Striemen übersät. Schweigen senkte sich über die Menge, als ich vortrat. Ich hatte nur die Absicht, dem Schlagen ein Ende zu bereiten; kämpfen wollte ich nicht. Überdies besaß ich ohnehin keine Waffe, mit der ich den Schläger hätte herausfordern können.
»Du«, sagte der Raufbold, der mich sofort erkannte, und auch wenn es in jener Nacht auf der Straße dunkel gewesen war, so wusste auch ich, wen ich da vor mir hatte. Der damals so fröhliche Dieb kochte nun vor Wut und war somit umso gefährlicher. »Komm näher«, sagte er, »und ich werde dir das Gleiche geben, was dein Jude bekommen hat. Und dann werden wir über das Vieh reden, das ich vermisse.«
Ich rührte mich nicht. »Lass ihn gehen«, erwiderte ich. »Du kannst keinen Streit mit ihm haben. Er hat dir nichts getan.«
Irgendjemand in der Menge brüllte: »Er ist ein stinkender Jude! Er hat einen Goldring gestohlen und versucht, ihn zu verkaufen!«
»Er ist kein Jude«, erklärte ich der Menge. »Er ist ein Christ. Mehr noch: Er ist der Sohn von Fürst Leo von Armenien, dessen Ring er trägt, und dem diese Stadt Rede und Antwort wird stehen müssen, wenn sein Sohn und Erbe hier zu Schaden kommt.« Ich hielt kurz inne, um den Leuten Gelegenheit zu geben, darüber nachzudenken, dann fügte ich hinzu: »Fürst Leo befiehlt zehntausend Soldaten, während ihr keinen einzigen habt .es sei denn, ihr betrachtet dieses Untier, das ich hier vor mir sehe, als solchen.«
Ein unsicheres Raunen ging durch die Menge. Die Menschen schienen die Auspeitschung nun weit weniger leidenschaftlich zu unterstützen als noch wenige Augenblicke zuvor. Ein oder zwei der Ängstlicheren stahlen sich sogar schon heimlich davon.
»Und wer bist du«, verlangte der Dieb zu wissen, »dass du dich ihm an die Seite stellst?«
»Ich bin sein Beschützer«, erwiderte ich, und ohne auf den Schläger zu achten, ging ich zu Roupen und
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