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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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wo das Schilf mannshoch war und unser Lager wie eine Palisade umgab. Das Boot zogen wir aufs Ufergeröll, und Padraig machte sich sofort daran, aus dem Wenigen, was uns noch verblieben war, ein Abendessen zuzubereiten.
    Kaum hatten wir uns jedoch zum Essen gesetzt, als wir von einer Wolke Stechmücken attackiert wurden. Trotz des Feuerrauchs, der uns diese lästigen Biester für gewöhnlich vom Leib hielt, schwärmten diese wilden Flieger um uns herum und bissen uns bei jedem Vorbeiflug. Mehr Dämon als Insekt, vertrieben sie uns mit ihren ständigen Angriffen rasch von unserem Essen. Um uns Erleichterung zu verschaffen, wickelten wir uns von Kopf bis Fuß in unsere Umhänge ein und beendeten unsere Mahlzeit in wachsendem Unmut.
    Anschließend legten wir uns zum Schlafen nieder, auch wenn die Luft noch recht warm war und der Himmel hell. Die ganze Nacht über hielt ich mein Gesicht bedeckt, sodass ich kaum in der Lage war zu atmen, und ständig hatte ich ein Summen im Ohr. Am Morgen wachten wir früh wieder auf. Alle waren wir kaum ausgeruht und litten unter Tausenden von winzigen Wunden, die die Mücken uns geschlagen hatten. Keiner von uns wollte auch nur ei-nen einzigen Augenblick länger hier bleiben. Wir nahmen uns noch nicht einmal die Zeit zum Frühstücken, sondern griffen sofort nach den Tauen und zogen das Boot über den Uferschotter, um so rasch wie möglich von hier zu verschwinden.
    Es war glühend heiß, und es stank - Letzteres vor allem aufgrund des stehenden Wassers inmitten der Sandbänke. Der stets gegenwärtige Gestank warmen, schleimig grünen Wassers stieg uns in die Nase und vertrieb alle Gedanken an Essen aus unseren Köpfen. Also aßen wir nichts, sondern gönnten uns nur dann und wann einen Augenblick der Ruhe, um einen Mund voll Wasser zu trinken. Von unserem Proviant war nur noch wenig übrig geblieben, und der Geruch und die Mücken nahmen uns den Appetit; also schleppten wir das Boot ungeachtet der Hitze des Tages immer weiter und weiter.
    Als schließlich die Sonne im Westen versank und ihren Griff um das Land lockerte, kehrten die Stechmücken in Scharen wieder zurück. Erneut verbrachten wir eine schier endlose und unerträgliche Nacht in unsere Umhänge gehüllt. Jeder, der über unser Lager gestolpert wäre, hätte vermutlich geglaubt, wir seien tot und zur Beisetzung in Leichentücher gewickelt worden.
    Nach drei Tagen dieses aussichtslosen Kampfes gegen die Mücken fanden wir endlich einen tieferen Kanal, und auch wenn hier nur eine kaum merkliche Brise wehte, setzte Sarn das Segel, damit wir das Ungeziefer so rasch wie möglich hinter uns lassen konnten.
    Ein gutes Stück flussabwärts hielten wir noch einmal an, um uns aus unseren Vorräten ein letztes, mageres Abendmahl zu bereiten: Haferbrei mit kleinen Stücken Trockenfleisch. Wie ausgehungerte Hunde fielen wir darüber her, leckten unsere Schüsseln aus und reisten weiter. Der Kanal war gut schiffbar, und der Mond schien hell. So segelten wir die ganze Nacht hindurch und erreichten spät am nächsten Tag Arles. Wir waren müde, von Mückenstichen übersät, halb verhungert, und wir hatten kein Geld mehr, um uns etwas zu essen zu kaufen.
    Zu betteln war unter meiner Würde, doch sollte es notwendig sein, würde ich auch das demütig ertragen. Roupen erklärte, lieber verhungern als betteln zu wollen, und Sarn bemerkte, dass Betteln ohnehin keinen Unterschied mehr machen würde, da wir ja bereits am Verhungern seien. »Unsere einzige Hoffnung«, sagte ich, »liegt darin, Marseille so schnell wie möglich zu erreichen und die Templer um Mitleid zu bitten.«
    Padraig hatte jedoch andere Pläne. »Vielleicht werden die Templer uns helfen«, räumte er gleichmütig ein, als ich diesen Vorschlag machte, »auch wenn ich nicht weiß, warum sie das tun sollten.«
    »Wenn du etwas Besseres anzubieten hast, würde ich es jetzt gerne hören.« Ich legte die Hand ans Ohr und beugte mich zu ihm hinüber. »Nun? Ich warte.«
    »Wenn du einmal mit dem Jammern aufhören würdest, könntest du vielleicht tatsächlich etwas hören, was des Hörens wert ist«, erwiderte er gereizt. »Wie es der Zufall will, hat dein Vater auf seinem Weg ins Heilige Land einst hier Halt gemacht. Oder hast du das vergessen?«
    Ich hatte es vergessen. Doch andererseits wusste ich aufgrund Murdos Widerwillen, über die Pilgerfahrt zu sprechen, ohnehin nur wenig über diesen Ort. Das meiste von dem, was ich über Arles gehört hatte, stammte von Emlyn, von dem auch

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