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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Fall.«
    Lächerlich. Ich lasse sie doch nicht noch mal in meinen Kopf.
    Doch andererseits dachte er: Warum eigentlich nicht? Sie weiß sowieso schon über das Armband Bescheid und über Elise auch. Was kann es schon schaden?
    Wenn es sie überzeugt, dass ich unschuldig bin …
    »Okay«, sagte er. Er streckte ihr sein linkes Handgelenk entgegen.
    Sue zog das Armband herunter. Sie schob es über ihre linke Hand. »Wie tut es funktionieren? Muss man es über sein Gesicht reiben oder …«
    »Deine Lippen. Küsse es.«
    »Aha. Verstehe.« Sie hob die Hand und betrachtete das Armband, dann sah sie Neal stirnrunzelnd an. »Dreh nicht wieder durch und spring auf mich darauf, okay?«
    »Ja. Aber ehe du es tust, sollte ich dich vor ein paar Sachen warnen. Es kann gefährlich sein. Geh nur in meinen Kopf, nirgendwo anders hin, und …«
    »Gut, okay.« Sie küsste das Armband.
    »Hey! Ich bin noch nicht …«
    Sie sackte auf dem Beifahrersitz zusammen, und die Hand mit dem Armband fiel auf ihren linken Schenkel.
    »Ich war noch nicht fertig mit meinen Warnungen«, sagte er, denn er wusste, dass sie ihn hören konnte – nicht mit ihren eigenen Ohren, aber durch seine Gedanken.
    Falls sie in mir ist, dachte er.
    Wahrscheinlich schon. Trotzdem verrückt, dass man es nicht weiß. »Hallo, Sue. Bist du drin? Schon gut. Du brauchst nicht zu antworten. Die Kommunikation funktioniert nur in eine Richtung. Du kannst keinen Kontakt mit mir aufnehmen, während du da drin bist. Nicht einmal, wenn es um Leben und Tod geht. Du kannst mir nichts mitteilen und mich nicht dazu bringen, etwas Bestimmtes zu tun. Du bist nur ein Gast. Wir können später darüber reden.«
    Was macht sie in mir?, überlegte er. Erkundet sie alles? Das könnte schrecklich peinlich werden. Ich sollte aufpassen, woran ich denke.
    Nein, nein, nein. Fang gar nicht erst damit an, sonst denkst du genau daran, woran du nicht denken willst.
    Er sah hinüber zu Sues Körper, und sein Blick blieb auf den Hügeln ihrer weißen Bluse unter dem Namensschild hängen. Durch den Stoff konnte er ihren weißen Büstenhalter erkennen. Und die Rundungen ihrer Brüste, die den BH ausfüllten. Nein! Hör auf damit!
    Er wandte ruckartig den Kopf ab.
    Denk nicht an sie!
    Zum Glück habe ich nicht versucht, ihr unter den Rock zu sehen.
    Kaum dachte er diesen Gedanken, da tauchte in seiner Vorstellung schon das Bild ihrer vom Rock umspannten Oberschenkel auf.
    Scheiße! Sie wird mich für einen Perversen halten!
    DENK AN ETWAS ANDERES!
    Elise. Denk an Elise. Deshalb tut Sue es doch, oder? Um herauszufinden, was geschehen ist. Um herauszufinden, ob ich Elise getötet habe.
    »Hey, du da drin, tut mir leid, dass ich diese schrecklichen Gedanken hatte. Aber so was kommt nun mal vor. Man kann nichts dagegen unternehmen. Trotzdem versuche ich jetzt, mich daran zu erinnern, was in der Mordnacht geschah. Okay? Ich werde es mir so vorstellen, wie es passiert ist. Warte einfach ab. Wenn ich fertig bin, weißt du über alles Bescheid.«
    Über alles, genau. Auch über meine Schwanzlänge.
    O GOTT! ICH KANN ES NICHT FASSEN, DASS ICH DAS GEDACHT HABE!
    »Sue«, sagte er laut, »ich versuche, mit dir zu sprechen. Du kannst dich einfach zurücklehnen und meinen Gedanken folgen. Du wirst sehen, dass ich nicht lüge. Einverstanden? Los geht’s.
    Alles begann Sonntagnacht. Marta war bei mir, und wir haben uns zwei Filme angesehen. Aus der Videothek. Nachdem Marta gegangen war – sie musste zum Flughafen zur Arbeit –, beschloss ich, die Videos zurückzubringen. Um nichts nachzahlen zu müssen.«
    Warum zeige ich ihr nicht einfach das Band, das wir aufgenommen haben?
    Ja? Und wie? Wo sollen wir einen Videorekorder herbekommen?
    Außerdem beweist das Band nichts. Ich könnte bei der Aufzeichnung gelogen haben. Auf diese Art weiß sie …
    »Es war ungefähr halb zwölf«, fuhr Neal fort, »als ich in meinen Wagen stieg und zur Videothek fuhr …«
    Er erzählte seine Geschichte fast genauso, wie er sie Marta am Abend zuvor vor der Kamera erzählt hatte. Währenddessen durchlebte er in Gedanken alles noch einmal. Er war wieder dort, machte es erneut durch.
    Er nahm an, dass Sue es wie einen Film sah.
    Ein Film mit einer Erzählstimme, einem durchgehenden Kommentar, aber nicht von Marlowe oder Mike Hammer oder Sam Spade … sondern von mir, Neal Darden.
    Fehlt nur noch das einsame Plärren eines Saxofons im Hintergrund.
    Neal wurde bewusst, dass seine Gedanken, obwohl er mit seiner Erzählung fortgefahren

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