Der Gastprofessor
es ist sein Streichquintett. in C-Dur.«
»C-Dur, wow! Hast du vielleicht ein paar Akkorde drauf, die ich noch nicht kenne?«
Im anderen Zimmer kratzte die Nadel in der Endrille der Platte. »Ich kann sie noch mal auflegen«, sagte er.
Falls ich jemals für die Heiligsprechung nominiert werden sollte – nicht lachen, das ist nicht so weit hergeholt, wie es scheinen mag –, wird auf der Habenseite meines Kontos stehen, daß ich ausnahmslos jeden Sonntag zur Messe ging, als ich in Italien war, und daß ich an dem Abend nur ein einziges Mal die Geduld mit meinem Homo chaoticus L. Falk verloren hab.
»Ich will nicht das C-Dur von diesem Wie-heißt-er-noch hören«, ließ ich ihn wissen. »Ich will dein C-Dur hören.«
Es muß ungefähr in dem Augenblick gewesen sein, daß er sich auf mich wälzte und anfing, sich mit meinen Möpsen zu verlustieren, und da hat er die Tätowierung gesehen. Sie sitzt in einem Feld von Sommersprossen unter meiner rechten Titte. Ich hab mir die Tätowierung mal in einem Moment des Wahnsinns in Atlantic City machen lassen, im Sonderangebot. L. Falk muß in einem früheren Leben ein Schmetterling gewesen sein, denn die Tätowierung hat ihn mächtig beeindruckt. Er griff nach der Lampe auf dem Boden und hielt sie hoch, um besser sehen zu können.
»Ein sibirischer Nachtfalter!« rief er und betastete ihn mit den Fingerspitzen.
»Ein ganz normaler gottverdammter Schmetterling«, hab ich ihn korrigiert, aber ich glaube nicht, daß er es gehört hat.
»Nicht zu fassen, ein sibirischer Nachtfalter in Backwater, Amerika«, flüsterte er. Und dann sagte er so komische Sachen, die ich nicht so recht verstand, irgendwas über Luftwirbel, die entstehen, wenn ein Nachtfalter die Flügel schwirren läßt, daß die Luftwirbel sich in Schwingungen fortpflanzen und daß diese Schwingungen – ich weiß nicht, ob das so stimmt, okay? – die Ostküste von Amerika der Schönen lahmlegen könnten. Irgendwas in der Art.
Man muß schon eine ziemlich verkorkste Phantasie haben, um das Wetter einem Schmetterling in die Schuhe zu schieben.
Jeder spinnt ja auf seine Weise. Der Anblick von dem Falter hat L. Falk richtig auf Touren gebracht, und eh man bis drei zählen kann, waren wir mitten drin, mitten im wildesten Zweikampf, in einer größeren Verschmelzung. Er hat geschwitzt und gegrunzt und gekeucht und immer wieder mal runtergeschaut, um sich zu überzeugen, daß der Schmetterling nicht davongeflattert war, und dann wurde er plötzlich stocksteif über mir, die blutunterlaufenen Augen weit aufgerissen und starr und erschrocken. Und dann brach er auf mir zusammen.
Nein, ich hab nicht direkt gespürt, daß er gekommen ist, aber ich wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen und hab deshalb nicht gefragt.
Ich will die Frage beantworten, bevor Sie sie stellen. Also, so, wie es war, war es. anders. Auf eine Art, die ich immer noch nicht so ganz enträtselt hab, war es. es war – befriedigend. Seine Leistung, auch was die Dauer angeht, und auch die aktuelle Größe seiner Ausrüstung – entschuldigen Sie, daß ich es so unverblümt ausdrücke ließen sicher zu wünschen übrig. Andererseits spürte ich, daß L. Falk.
Lassen Sie mir eine Sekunde.
Wo war ich?
Ich spürte, daß L. Falk. mich wollte, ein Gefühl, das ich schon einmal gehabt haben muß, ich weiß nur nicht mehr, wann.
Natürlich wollte L. Falk hinterher wissen, wie er gewesen war. Wieso wollen Männer eigentlich immer hören, was für phantastische Liebhaber sie sind? Ich wollte ihm nicht die nackte Wahrheit um die Ohren hauen – daß nämlich, was das rein körperliche Gefühl angeht, meiner Meinung nach kaum ein Unterschied zwischen Safer Sex und null Sex besteht. Also hab ich einen auf witzig gemacht. »Ich träum schon seit ewigen Zeiten von dem, was ich den kosmischen Fick nenne – einem so total umwerfenden Fick, daß er der Fick aller Ficks wäre. Ich stell ihn mir als so überwältigend vor, daß die zwei oder drei oder vier, die daran beteiligt wären, beschließen würden, nie wieder zu ficken. Die schlechte Nachricht ist, daß es mit dir nicht der kosmische Fick war. Die gute Nachricht ist demnach, daß wir weitermachen können.«
Ich lachte. Er lächelte sein rasierklingendünnes Lächeln, das zu einem Drittel als leicht amüsiert und zu zwei Dritteln als tief nachdenklich rüberkommt, als ob er versuchte, zwischen den Zeilen zu lesen.
»Hey, du hast gefragt.«
»Und du hast geantwortet.«
Später ließ ich Mayday wieder
Weitere Kostenlose Bücher