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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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Eine Königin muss Opfer für das Gemeinwohl bringen« , sagte Relius.
    »Und wenn das, was sie opfert, ihr Herz ist? Wenn sie es Stück für Stück aufgibt, bis nichts mehr davon übrig ist? Was bleibt dann noch, Relius, wenn nicht eine herzlose Herrscherin? Und was wird dann aus dem Gemeinwohl?«
    »Die Königin könnte niemals herzlos sein.«
    »Nein«, sagte der König. »Sie würde selbst sterben, Relius, oder erst den Verstand und dann das Herz verlieren. Könnt Ihr Euch nicht vorstellen, dass das geschieht? Oder vertraut Ihr wirklich so blind auf ihre Kraft? Jeder Mensch ist nur bis zu einem gewissen Grad belastbar. Und doch hört Ihr nie auf, noch mehr von ihr zu verlangen.«
    Relius schwieg, während er nachdachte. »Und Ihr? Ich dachte, wir hätten Euch gebrochen.«
    Eugenides zuckte zusammen, aber er antwortete in selbstironischem Ton: »Ornon  – Ornon, der zu allem seinen Senf dazugeben muss  – behauptet, dass man die Diebe von Eddis nicht brechen kann. Man kann uns stattdessen nur dazu bringen, wie Schießpulver in die Luft zu gehen. Das macht uns so gefährlich.«
    »Ihr mögt Ornon nicht«, sagte Relius.
    »Das würde ich so nicht sagen.«
    »Weil Ihr nicht gern die Wahrheit sagt?«
    Eugenides verzog das Gesicht. »Ornon und ich bringen einander ein hohes Maß an mühsam errungenem Respekt entgegen« , sagte er.
    »Wie errungen?«
    »Nun, es ist ihm fast gelungen, einen Krieg abzuwenden. Wie ich gehört habe, hat er seine Sache hervorragend gemacht, als es darum ging, die Königin dazu zu treiben, mich auf der Stelle zu töten, als sie mich gefangen genommen hatte. Ohne die ebenso rechtzeitige wie dreiste Einmischung des medischen Gesandten wäre ich wohlbehalten tot gewesen, und viel Blutvergießen wäre uns erspart geblieben.«
    »Wie Ihr gehört habt?«, fragte Relius.
    »Bei Ornons Auftritt war ich nicht dabei.«
    Er war damit beschäftigt gewesen, sich auf den nassen Boden einer Zelle im Gefängnis der Königin zu übergeben. Nicht weit entfernt von dort, wo Relius selbst gewesen war.
    »Und Ornons Respekt vor Euch?«, fragte Relius und lenkte so das Gespräch wieder auf ein unverfänglicheres Thema.
    Der König lächelte nur. »Selbst ehemalige Diebe behalten ihre Geheimnisse für sich, Relius.«
    Kurz darauf ging er. Relius blieb mit seinen Gedanken allein. Was für ein Mensch , fragte er sich, sagt ›wohlbehalten tot‹, wenn er von sich selbst spricht?
     
    Als der König die Wachstube durchquerte und ins Schlafzimmer der Königin zurückkehrte, fragte er: »Wo ist Costis?«
    »Er wurde am Ende der Nachmittagswache entlassen.«
    »Von wem? Ich habe ihm nicht gestattet, sich zu entfernen.«
    »Die Königin hat ihn in die Wachstube geschickt, Euer Majestät.«
    »Warum ist er dann nicht hier?«
    »Der Hauptmann hat ihn am Ende der Nachmittagswache entlassen.«
    »Er soll herkommen.«
    »Der Hauptmann?«
    »Nein, du Dummkopf …« Er brach ab, als die Königin in der gegenüberliegenden Tür erschien. »Du bist wach«, sagte er.
    »Phresine aber nicht«, bemerkte die Königin.
    »Ach ja?«
    »Du hast ihr Lethium verabreicht.«
    »Sie hat mir zuerst welches gegeben.«
    Die Königin sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an und sagte nichts. Er wies auf seine Kammerherren. »Ich habe sie wie einen Klotz am Bein durch den ganzen Palast und zurück hinter mir hergeschleppt.«
    »Wenn strengere Maßnahmen notwendig sind, können wir einen größeren Klotz auftreiben.« Die Königin wandte sich ab und verschwand in ihren Gemächern.
    »Oje«, murmelte Eugenides, während er ihr folgte, nun doch, ohne nach Costis zu schicken. Die strengeren Maßnahmen der Königin traten, vollstreckt vom eddisischen Botschafter, noch vor der Morgendämmerung in Kraft.
     
    Costis trug keine Uniform und war noch nicht einmal besonders sauber, als er am nächsten Morgen erfuhr, dass nach ihm geschickt worden war. Er hatte am Vorabend, als er vergeblich nach Aristogiton gesucht hatte, einen Blick auf den Dienstplan geworfen. Costis war auf absehbare Zeit zu keinerlei Dienst eingeteilt und hatte sich einen ruhigen Morgen gegönnt, an dem er in seinem Quartier herumgewerkelt und sein Schwert, seinen
Brustpanzer und die verschiedenen glänzenden Teile seiner Uniform einer gründlichen Reinigung unterzogen hatte. Er hatte Polierfett auf der Nase und schwarze Finger, als jemand den Ledervorhang vor seiner Tür beiseiteschob.
    Als Costis den Kopf hob und von dem Schwert aufschaute, das er gerade reinigte, um seinem

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