Der Gebieter
machte sich stattdessen auf, um dem Palastsekretär, der für die Dächer zuständig war, den Fall zu melden.
Danach war er gründlich wach und hungrig; er begab sich in den Speisesaal. Der Gardist, der früher am Tag links von ihm gesessen hatte, saß nun allein an einem Tisch und winkte Costis
zu, sich ihm anzuschließen. Costis tat es, nachdem er sich ein Glas Wein eingegossen hatte.
Domisidon, der nicht weit entfernt saß, schaute auf, sah Costis und sagte: »Da kommt ja der Schoßhund des Königs.«
Der Gardist neben Costis lachte, fing sich dann aber. »Tut mir leid, Costis, es ist nicht deine Schuld. Was wird nun aus dir, weißt du das?«
Costis dachte nach. »Ich habe keine Ahnung. Ich war ohnehin schon so gut wie durch damit, ein falscher Leutnant zu sein. Ich dachte, sie würden mich wohl in irgendeine Grenzfestung versetzen – vielleicht, als Prokep aus dem Norden herunterkam. Ich schätze, das könnte immer noch passieren.«
»Aber du hast doch dem König das Leben gerettet?«
»Eigentlich nicht«, sagte Costis. »Das hat er größtenteils selbst besorgt.«
»Natürlich. Das hatte ich ganz vergessen.«
Sie klopften ihm auf die Schulter und versetzten ihm freundliche Rippenstöße. Doch hinter dieser Freundlichkeit verbarg sich irgendetwas – keine Herablassung, aber vielleicht Mitgefühl. Er wollte nicht geradeheraus fragen, was ihr Mitleid zu bedeuten hatte. Er befürchtete, die Antwort zu kennen, und sie gefiel ihm nicht. Costis verabschiedete sich und machte sich auf die Suche nach Aristogiton.
In der Nacht erwachte Relius, von plötzlicher Furcht ergriffen. Der Krankensaal um ihn herum war dunkel, die hohe Decke außer Reichweite des Nachtlichts neben seinem Bett, die stickige Luft ringsum still. Unter dem leichten Druck des Lakens und der dünnen Wolldecke war er starr vor Angst, und er musste die Augen schließen, um den Impuls zu unterdrücken, sich von den Bettdecken freizustrampeln. Es gab kein Entkommen, keine Hoffnung auf Entkommen. Es war ein Gefühl, das keinem vernünftigen
Gedanken zugänglich war, und erst, als der König sprach, ging Relius auf, dass er nicht allein war.
»Es ist die Hundewache der Nacht«, sagte der König leise.
Relius schnappte nach Luft; als er die Augen öffnete, sah er den König auf dem niedrigen Stuhl am Fußende seines Betts sitzen. Unter seinem Blick stand der König auf und hakte den Fuß um den Stuhl, um ihn näher an Relius’ Kopf heranzuziehen, bevor er sich wieder hinsetzte.
Seine Bemerkung schien erst belanglos zu sein, war es aber nicht. Die Hundewache der Nacht war eine schlechte Zeit für diejenigen, die von Albträumen heimgesucht wurden. Das musste der König aus eigener Erfahrung wissen.
Relius hob kurz den Kopf. Der König drehte sich um und folgte seinem Blick zu der stummen Gruppe von Kammerherren nahe der Tür. Er wandte sich mit einem bitteren Lächeln wieder Relius zu, aber es verschwand fast so schnell, wie es gekommen war, und machte einem Ausdruck erstaunlicher Ruhe Platz. Er saß stumm am Bett, während Relius durch schiere Willenskraft seine Atmung beruhigte und seinen Körper entspannte. Die Dunkelheit, die sie umgab, verlor langsam an Bedrohlichkeit.
»Warum habt Ihr mich gerettet, Euer Majestät?«, fragte Relius leise.
»Glaubt Ihr, dass es ein Fehler war?«
Relius öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
»Ihr wollt ja und nein zugleich sagen«, vermutete der König.
»Es fällt mir schwer, mein Eigeninteresse gegen das meiner Königin abzuwägen«, räumte Relius ein; er klang ein wenig pedantisch und zugleich so, als wolle er sich dafür entschuldigen.
»Ihr klingt wie der Magus von Sounis. Er stand einmal vor einem ähnlichen Problem.«
»Das Risiko, das Ihr eingeht, ist zu groß«, sagte Relius, »und Ihr gewinnt nichts, indem Ihr mich begnadigt.«
»Das größte Risiko bestand für die Königin, und zwar in Eurem Tod, nicht in Eurer Begnadigung.«
Relius rätselte herum, was das zu bedeuten haben mochte.
Der König gab gereizt auf: »Ihr wisst nicht, was ich meine. Sie ist so stark, und Ihr geht davon aus, dass diese Kraft kein Ende nimmt, unbegrenzt belastbar ist. Ihr und Teleus gehört zu den wenigen, denen sie noch genug vertraut, um sie zu lieben, und Ihr sagt doch, sie hätte Euch foltern und töten lassen sollen. Was habt Ihr Euch nur dabei gedacht?«
»Wenn sie Leute begnadigt, nur weil sie sie liebt, wird irgendjemand, den sie liebt, sie eines Tages verraten, und ganz Attolia mit ihr.
Weitere Kostenlose Bücher