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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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über den Schädel.«
    »Ha«, rief der König erleichtert. Phresine tat, als würde sie das ebenso wenig bemerken wie seine Verzweiflung zuvor. Sie fuhr fort.
    Na, da war nicht nur Klimun überrascht! Der Fürst von Atos selbst drängte sein Pferd aus der Nachhut der Reitergruppe nach vorn und fragte, warum Klimuns Freund eine Amphore ihres besten Weins auf Klimuns Kopf zerschlagen hätte.
    Klimun fragte sich das selbst. Er sah Gerosthenes an, der seinerseits den Mond ansah. Klimun folgte seinem Blick und wandte den Kopf; so erblickte er über seine Schulter hinweg den Mond.
    »Ich sehe, dass dir die Erleuchtung gekommen ist«, sagte der junge Fürst. »Erleuchte doch bitte auch uns.«
    Da Klimun einsah, dass er keine Wahl hatte, tat er wie geheißen. »Mein Freund hier hat mir höchst feierlich nahegelegt, mich an ein Gelübde zu erinnern, das ich abgelegt habe: Nie bei Mondschein zu lügen. Und so sage ich Euch ehrlich, dass ich Klimun bin, der Basileus von Kathodicia, dass ich heimlich hergekommen bin, um den neuen Fürsten dieser Stadt zu sehen und ihn anhand seines Verhaltens seinem Volk gegenüber zu beurteilen.«
    »Und wie lautet Euer Urteil?«, fragte der junge Fürst.
    »Ihr seid stolz, aber gerecht, und ich halte Euch nicht für einen Kriegstreiber.«
    »Ich bin geschmeichelt«, sagte der Fürst.
    »Ihr mögt geschmeichelt sein, aber ich bin kein Schmeichler«, erwiderte Klimun. »Zumindest nicht bei Mondschein.«
    »Dann glaube ich, dass Ihr seid, was mein Vater mir am höchsten wertzuschätzen geraten hat: ein Mann, dem ich vertrauen kann. Wir sollten Verbündete werden«, erklärte der Fürst.
    »Dann wäre ich nicht nur geschmeichelt  – es wäre mir eine Ehre«, sagte Klimun, »aber ich bin mir nicht sicher, ob ich Euer Vertrauen verdient habe.« Demütig wandte er sich an die alte Frau, die noch immer daneben stand, und sagte: »Göttin, ich habe das Versprechen gebrochen, das ich dir gegeben habe. Wenn mein Freund nicht gewesen wäre, hätte ich gelogen. Ich glaube, deine Oliven und meine Stadt sind verwirkt«, schloss er traurig.
    »Du hast keine Lüge ausgesprochen«, sagte die Göttin, denn die Göttin war sie, wie Gerosthenes und Klimun beide erkannt hatten.
    »Aber ich hätte gelogen.«
    »Dein Freund hat dich daran gehindert.«
    »Ja«, pflichtete Klimun ihr bei, sah aber nur, dass er auf die Probe gestellt worden war und versagt hatte.
    »Wenn du nicht all die Jahre der Mann gewesen wärst, der du zu sein versprochen hast, dann hätte er sich hier nicht als Freund in der Not erwiesen. Ich glaube nicht, dass das Mondlicht irgendetwas enthüllt hat, das es nicht hätte sehen sollen«, sagte sie feierlich, und dann war sie fort und ließ Klimun sehr erleichtert zurück  – und einen Trupp Reiter, der auf eine Erklärung wartete.
    »Danke, Phresine«, sagte der König demütig.
    »Dankt mir, indem Ihr noch ein wenig Suppe esst und dann schlaft.«
    »Wird Mohnsaft darin sein?«
    Phresine schüttelte den Kopf.
    »Gut. Meine Frau und ich haben uns darauf geeinigt, dass nur mein Wein vergiftet werden darf.«
    Phresine ging, um ihm noch etwas Suppe zu holen.
     
    Nachdem der König etwas gegessen hatte, gab er zu, dass er müde war, und schlief wieder. Costis war dankbar dafür. Am späten Nachmittag kam die Königin, um sich zum König zu setzen, und schickte Costis in die Wachstube. Teleus erschien mit der Wachablösung und teilte Costis mit, dass er gehen könne.
    Die Luft war stickig, als Costis den großen, offenen Hof hinter den öffentlichen Räumen des Palasts überquerte. Er unterdrückte ein Gähnen, überrascht, wie müde er war, obwohl er doch den ganzen Tag lang nichts getan hatte. Vom Hof aus durchquerte er den überdachten Durchgang, der den vorderen Teil des Palastes mit der komplizierten Ansammlung von Gebäuden verband, in denen die Wohnräume des Hofstaats lagen. Ein Gang am Ostende führte an den öffentlichen Räumen vorbei auf eine Terrasse, von der aus man über steile Treppen zu den Baracken und Übungsplätzen der Königlichen Garde hinuntergelangen konnte.
    Verschlafen und verschwitzt ging er um die Scherben mehrerer Dachziegel herum, die von irgendwo hoch über der Terrasse herabgestürzt sein mussten. Hinter ihm ertönte ein Krachen, als sei ein Tonkrug explodiert, und er machte einen Satz nach vorn, außer Reichweite, bevor der nächste Schwung Dachziegel nach unten glitt. Er sah zu dem Schutt auf der Terrasse zurück, sehnte sich nach einem Nachmittagsschlaf und

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