Der Gebieter
Botentasche. Dann sah er den König an und hob mahnend einen einzelnen Finger, der so dick wie der Griff einer Axt war.
»Ich habe dich gewarnt! Noch eine unfreundliche Bemerkung, und es ist Zeit für ein Schläfchen.« Sein Akzent war so ausgeprägt, dass man ihn mit einem Messer hätte schneiden können, und schien jedes Wort um eine Silbe zu verlängern.
»Du kannst mich nicht im Bett halten!«
»Natürlich kann ich das«, sagte Aulus ruhig. »Und das fällt
mir ein verdammtes Stück leichter, als dich dazu zu bringen, irgendetwas anderes zu tun. Ich lege mich einfach auf dieser Seite auf die Decke. Boagus kann sich auf die andere legen. Dann sitzt du in der Falle wie ein Kätzchen im Sack, und bevor du dir eine angemessene Rache einfallen lassen kannst, werden Boagus und ich schon in Sicherheit auf einem fernen und sehr unsichtbaren Posten sein, weit außer Reichweite Seiner Königlichen Launenhaftigkeit, des Königs von Attolia.« Er nickte bedeutungsvoll. »Das hat Ornon versprochen.«
Der König starrte ihn wie vom Donner gerührt an und versuchte dann, mit ihm zu rechten. »Ich habe wichtige …«
»Gen«, schnitt Aulus ihm das Wort ab, »du liest schon seit Sonnenaufgang. Du bist erschöpft und brauchst eine Pause.«
Eugenides sah Costis an. Costis straffte sich; er war bereit, seinen König bis in den Tod gegen dieses riesenhafte eddisische Kindermädchen zu verteidigen.
Aulus seufzte müde. »Gen. Schlaf.«
Der König kroch widerwillig unter die Decke. Zu Costis’ bewunderndem Entzücken strich der gewaltige Eddisier sie glatt und steckte sie um den König fest.
Aulus kehrte ans Fenster zurück, setzte aber das Würfelspiel nicht fort. Er pfiff eine ruhige Melodie, die Costis nicht kannte, lauter langgezogene, besänftigende Töne. Noch bevor er sie zum zweiten Mal wiederholt hatte, war der König eingeschlafen.
Boagus erhob sich, um nach ihm zu sehen, stand lange Zeit über ihn gebeugt und beobachtete ihn genau. Am Ende nickte er Aulus zu und kehrte zu seinem Stuhl zurück. Er und Aulus machten es sich bequem, legten beide die Stiefel auf den kleinen Holztisch und verhandelten wortlos darum, wie man vier Füße zugleich darauf zwängen konnte. Dann schlossen sie die Augen wie Berufssoldaten, die zu erfahren waren, sich eine Gelegenheit zum Ausruhen entgehen zu lassen, und schienen selbst einzuschlafen.
Als Costis sich bewegte – und das nur, um sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen zu verlagern – öffneten gleich beide Eddisier ein Auge, um ihn zu mustern. Costis rührte sich nicht wieder. Der König schlief, bis die Wachtrompeten die Mittagsfanfare bliesen. Nachdem er gegessen hatte, gab Aulus ihm seine Berichte zurück.
Am Nachmittag sagte Aulus aus heiterem Himmel: »Ich habe gehört, dass dein Gefängniswärter dich gestern in Angst und Schrecken versetzt hat.«
Gen blickte nicht von seiner Lektüre auf. »Dann hat Ornon wieder geplaudert«, sagte er.
»Ja«, erwiderte Aulus lächelnd.
»Nein«, sagte der König und sah nun doch auf. »Keiner meiner Gefängniswärter hat mich in Angst und Schrecken versetzt.«
Er senkte den Blick und tat, als würde er sich wieder dem widmen, was er gelesen hatte, tat es aber nicht. Stattdessen spielte er mit der erhabenen Stickerei auf der Bettdecke. Boagus öffnete den Mund, schloss ihn aber auf ein Zeichen von Aulus hin wieder. Sie warteten. Aulus schien bereit zu sein, bis in alle Ewigkeit zu warten.
»Ich hätte sie beinahe hinrichten lassen, jeden einzelnen von ihnen – erdrosseln, entdärmen und töten.«
Costis erinnerte sich, wie unwohl das Gesicht des Königs gewirkt hatte, und an das plötzliche lange Schweigen in der Zelle.
»Auch deinen Hauptmann?«, fragte Aulus.
»Ja, natürlich. Er wäre als Erster an die Reihe gekommen.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich habe ihm gesagt, dass ich tun kann, was ich will«, gestand er.
»Aha«, sagte Aulus. »Ich nehme an, er hat geglaubt, da würde der König von Attolia aus dir sprechen?«
»Das hat er wohl geglaubt.«
Boagus schüttelte den Kopf. »Jetzt kannst du wirklich tun, was du willst.« Eugenides’ finsterer Blick ließ ihn die Hände hochreißen und hastig hinzufügen: »Nicht, dass du das nicht schon immer gekonnt hättest.«
Aulus lachte leise. »Wenn ich eine Goldmünze für jedes Mal hätte, das ich dich habe sagen hören, dass du tun kannst, was du willst, wäre ich reich«, sagte er. »So reich wie …« Er suchte nach einem angemessenen
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