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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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über ihn hereinbrach. Der König stand in der Tür, aber er war nicht allein. Sein Arm war in den der Königin eingehakt, und er führte sie ins Zimmer. Sie stand am Bett, während Eugenides einen Stuhl holte, und setzte sich dann. Relius lag im Bett, sah zu und war so unfähig, den Blick von ihr abzuwenden, wie sie ihrerseits unfähig zu sein schien, seinem Blick auszuweichen.
    Eugenides blickte von einem stummen Gesicht ins andere. »Irgendwann müsst ihr miteinander sprechen.« Er strich seiner Frau mit der Hand übers Gesicht und bückte sich, um sie sanft auf die Wange zu küssen. Ein Teil von Relius’ Sehnsucht zeichnete sich wohl auf seinem Gesicht ab, denn der König wandte sich ihm mit einem Lächeln zu.
    »Eifersüchtig, Relius?« Ohne jeden Anflug von Verlegenheit oder Unernst strich er dem ehemaligen Sekretär das Haar aus der Stirn und küsste auch ihn.
    Es war lächerlich, gewiss, aber als der König ging, blinzelte Relius sich das Wasser aus den Augen. Der Kuss war sanft gewesen, und die Augen des Königs hatten, als er ihn geküsst hatte, nicht gelächelt.
    Die Flamme der Lampe prasselte; das Geräusch war unnatürlich
laut. Endlich sprach die Königin; sie sagte leise: »Ich habe an Euch versagt, Relius.«
    »Nein«, widersprach Relius. Er stemmte sich auf die Ellbogen und beachtete den dumpfen Schmerz nicht weiter, den solche Bewegungen wieder auslösten. Es war von höchster Bedeutung, dass die Königin sich nicht darüber täuschte, dass er schuldig war. »Ich habe versagt. Ich habe an Euch versagt.« Unbeholfen fügte er hinzu: »Euer Majestät.«
    Betrübt fragte sie: »Bin ich also nicht mehr Eure Königin?«
    Entsetzt flüsterte er: »Immer«, und legte seine ganze Seele in das eine Wort.
    »Das hätte ich wissen sollen«, sagte sie. »Ich hätte stärker auf die Zukunft hoffen sollen, statt die Vergangenheit zu wiederholen.«
    »Ihr hattet keine Wahl«, rief Relius ihr ins Gedächtnis.
    »Das dachte ich auch  – dass es ein weiteres notwendiges Opfer sei, wie so viele, die wir gemeinsam gebracht haben. Ich habe mich geirrt. Ich habe Euch all die Jahre lang vertraut, Relius: Ich hätte damit nicht aufhören sollen.« Sie beugte sich vor, strich über die Bettdecke und glättete die Falten in den weißen Laken. »Wir können uns selbst nicht vergeben«, sagte sie. Relius wusste, dass er sich selbst nie verzeihen würde und keine Vergebung verdient hatte, aber er erinnerte sich an das, was Eugenides über die Bedürfnisse der Königin gesagt hatte. Er hatte in den einsamen Nachtstunden im Krankensaal darüber nachgedacht. »Vielleicht könnten wir einander vergeben?«, schlug die Königin vor.
    Relius presste die Lippen aufeinander, nickte aber. Er würde sich nicht gegen die Begnadigung sperren, von der er wusste, dass sie unverdient war, wenn er damit seiner Königin einen Teil ihrer Last abnehmen konnte.
    Die Königin fragte: »Was haltet Ihr mittlerweile von meinem König? Ist er ungestüm? Unerfahren? … Naiv?« Sie wiederholte
seine eigenen Worte. Ihre Stimme, tröstlich ruhig und schmerzlich vertraut, linderte seine Verzweiflung und Scham ein wenig.
    »Er ist jung«, sagte Relius heiser.
    Nun war es an Attolia, überrascht dreinzublicken; sie zog ganz leicht eine Augenbraue hoch.
    Relius schüttelte den Kopf. In seiner Sprachlosigkeit hatte er sich falsch ausgedrückt. »Ich will damit sagen, dass für zehn Jahre, oder für zwanzig …« Er zögerte, seine Gedanken in Worte zu fassen, so als ob es gegen seine Hoffnungen hätte arbeiten können, sie laut auszusprechen.
    Attolia verstand. »Ein goldenes Zeitalter?«
    Relius nickte. »Er sieht es nicht ein. Er will nicht König sein.«
    »Hat er das gesagt?«
    Relius schüttelte den Kopf. Das hatte ihm niemand sagen müssen. »Wir haben über Gedichte gesprochen«, erklärte er, immer noch zögerlich, »und über die neue Komödie von Aristophanes über die Bauern. Er sagt, Ihr hättet einen kleinen Bauernhof für mich ausgesucht und angeregt, dass ich ein Theaterstück dar über schreiben soll.« Relius war ein Mann, dessen ganzes Leben von seinem Scharfsinn abhängig gewesen war. »Er hat Euch nicht geheiratet, um König zu werden. Er ist König geworden, weil er Euch heiraten wollte.«
    »Er sagt, dass er meine Macht nicht schmälern und auch nicht über mein Land herrschen will. Er will nur eine Galionsfigur sein.«
    »Lasst das nicht zu«, sagte Relius und zügelte sich dann, falls er zu weit gegangen war.
    Seine Königin

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