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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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damit einhergeht«, betonte die Königin.
    »Selbst wenn er keinerlei Eid geschworen hat«, sagte der Magus,
»könnt Ihr doch nicht glauben, dass Eugenides je Euch oder Eure Interessen verraten würde?«
    Eddis blickte beiseite. »Wenn Sophos nicht mehr da ist…«, sagte sie.
    »Wir wissen nicht, ob dem so ist«, fiel der Magus ihr ins Wort. Wie Eddis und Eugenides weigerte er sich, die Hoffnung aufzugeben, was den verschwundenen Erben von Sounis betraf. Mehr als die beiden anderen litt er unter Gewissensbissen, weil er sich in Eddis in Sicherheit befunden hatte, als Sophos verschwunden war, obwohl seine Anwesenheit in Sounis für den Neffen des Königs kaum etwas geändert hätte. Der König von Sounis hatte dem Magus untersagt, die Erziehung seines Erben fortzusetzen. Er hatte den Einfluss des Magus gefürchtet und Sophos aus der Hauptstadt fortgeschickt, um ihn von einem anderen Hauslehrer unterrichten zu lassen.
    »Aber wenn er nicht mehr da ist, wenn er tot ist und nicht irgendwo als Geisel festgehalten wird«, fragte die Königin von Eddis, »würdet Ihr dann dafür sorgen, dass ich Sounis heirate?«
    Sie sah wieder den Magus an, aber nun hatte er seinerseits den Blick abgewandt. Er antwortete sehr widerstrebend: »Ja.«
    Mehr musste nicht gesagt werden. Sie verstanden beide, dass Eugenides sich, wenn er König von Attolia war, schwierigen und schmerzlichen Entscheidungen gegenübersehen würde, die er zum Wohle von Nationen, nicht von Einzelpersonen, fällen musste, ganz gleich, wie sehr er sie auch lieben mochte.
     
    Relius war aus dem Krankensaal verlegt worden, aber nicht in seine eigenen Gemächer. Dort wäre er wieder im Zentrum all seiner Spinnennetze aus Intrigen gewesen, umgeben von den Papieren, Verschlüsselungen und Hintergründen seiner Arbeit. Jene Räumlichkeiten waren bestimmt verschlossen worden. Wenn seine Habseligkeiten daraus entfernt worden waren, würden
sie komplett an den neuen Archivsekretär übergeben werden. Der Gedanke schmerzte ihn nicht. Es war erstaunlich, wie weit entfernt sein vergangenes Leben ihm nun erschien. Seine Gedanken taten ihm nur weh, wenn er sich abmühte, an seine einstige Arbeit zu denken, und das tat er nicht oft. Wenn er überhaupt lange über etwas nachdachte, so waren es Kindheitserinnerungen oder ein Vogel, der an seinem Fenster vorbeiflog. Die meiste Zeit über lag er so leer und bar aller Gedanken wie ein Neugeborenes im Bett. Seine Tage waren unermesslich erholsam.
    Dunklere Grübeleien bedrängten ihn in den tiefsten Nachtstunden, wenn er erwachte und den heimlichen, rätselhaften Geräuschen des Palastes lauschte. In vielen Nächten war der König bei ihm. Liebenswürdig, respektlos und ablenkend half er Relius über Albträume und Selbstbezichtigungen hinweg. In manchen Nächten sagte er gar nichts, sondern tröstete ihn nur durch seine Gegenwart. In anderen erzählte er ihm, was er den Tag über erlebt hatte, und tat seine Einsichten und Überlegungen zum attolischen Hof in einer vernichtend witzigen Kritik kund, von der Relius vermutete, dass sie genauso zur Erleichterung des Königs wie zu Relius’ Ablenkung diente. Gelegentlich unterhielten sie sich über Theaterstücke oder Gedichte. Relius war erstaunt über die vielen Interessensgebiete des Königs. Er wusste viel über Geschichte. In mehreren Nächten diskutierten sie über ihre jeweilige Interpretation großer historischer Ereignisse, bis Relius erschöpft war.
    Die Argumente des Königs waren von »der Magus sagt dies« oder »der Magus denkt das« durchsetzt. Relius und der Magus hatten in der Vergangenheit mehrfach miteinander zu tun gehabt, aber dabei war es nie um akademische Belange gegangen, und Relius war fasziniert von dieser entlarvenden Sicht auf einen alten Gegner. Er überlegte, ob er, wenn er hinreichend genesen
war, dem Magus einen Brief schreiben sollte, um eine Korrespondenz über Euklid oder Thales zu beginnen, oder vielleicht über die neue Theorie aus dem Norden, nach der die Sonne und nicht die Erde das Zentrum des Universums bildete. Während er sich erholte und die Erinnerung an die Welt, in der er sich bewegt hatte, immer ferner wurde, malte er sich ganz zögerlich aus, dass ihm ein neues Leben offenstand.
    Die Lampe an seinem Bett brannte. Wenn der König heute Nacht kam, würde er bald eintreffen. Als die Tür sich nach einem leichten Klopfen öffnete, wandte er den Kopf, aber der Gruß auf seinen Lippen erstarb, als seine vergessene Welt wie die Meeresbrandung

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