Der Gebieter
der Hofstaat ihm nachfolgt. Er ist wie ein Hund, der seinem eigenen Schwanz zu entkommen versucht. Er hat sich einen kurzen Augenblick des Alleinseins gegönnt und wäre dabei fast gestorben. Relius, er hasst es, König zu sein.«
Relius dachte an seinen Gefährten der vergangenen Nächte, ihre Gespräche über die verschiedensten Themen und das Lachen des Königs.
Immer noch zaghaft widersprach er seiner Königin. »Die Diebe von Eddis hatten immer eine Sonderstellung, Euer Majestät. Er hatte bisher im Leben sehr wenig Gesellschaft und ist daran nicht gewöhnt. Aber es gibt andere Wörter für Alleinsein und Unabhängigkeit . Sie lauten Isolation und Einsamkeit . Lockt ihn hervor. Er gehört auf die offene Bühne, ob er nun will oder nicht. Die Welt muss sehen, was für ein König er ist.«
»Ganz gleich, welchen Preis er dafür zahlen muss?«
»Kein Mann darf sich entschließen, nur sich selbst zu dienen, wenn er seinem Staat etwas zu bieten hat. Keiner kann seine eigenen Wünsche über die Bedürfnisse so vieler stellen.«
»Seid vorsichtig«, sagte die Königin leise, »seid vorsichtig, mein lieber Freund.«
Relius lag sehr still.
»Ich bin eine äußerst wirkungsvolle Sense«, sagte die Königin.
Relius erwiderte ihr Lächeln matt. »Und ich biete Euch mit eigenem Munde die Rechtfertigung dafür. Auf mich wartet kein Haus in irgendeinem unbedeutenden Dörfchen im Gede-Tal, nicht wahr?«
»Nicht im Gede-Tal. Es gibt eines in der Modrea, mit zwei Stockwerken, einem offenem Hof, einem Atrium und einem Schreibzimmer im Erdgeschoss. Dahinter liegt ein kleines Landstück, um Ziegen zu halten.«
Relius wartete.
»Oder Ihr könntet bei mir bleiben. Ich brauche Euch noch. Attolia braucht Euch noch.«
Tränen stiegen Relius in die Augen. Er schloss sie und dachte im Dunkeln an ein Haus im Gede-Tal oder in der Modrea, mit einem Schreibzimmer im Erdgeschoss, einem kleinen Springbrunnen, dem Meckern der Ziegen … und Frieden.
»Ich bin, was Ihr aus mir gemacht habt«, sagte die Königin leise.
Relius lächelte unter Tränen. »Und Ihr könnt mich hundertmal niedermähen, meine Königin – ich gebe Euch meinen Segen. Aber ich bin ein Versager und ein Wrack. Ich verstehe nicht, wie ich Euch noch nützen könnte.«
»Ihr seid kein Versager, und um meinetwillen hoffe ich, dass Ihr kein Wrack seid. Was nun Euren möglichen Nutzen betrifft – sollen wir einfach abwarten?«, fragte sie.
Als Relius sich einverstanden erklärte und bekümmert seine Gedanken an den ruhigen Bauernhof im Modrea-Tal aufgab, fragte Attolia ihn, ob er nun, da er selbst von der Königin manipuliert worden war, seine Meinung darüber geändert hätte, dass der König zu einer Aufgabe getrieben werden sollte, die er verabscheute.
»Ich kann nur hoffen, dass Ihr beim König ebensolchen Erfolg habt«, sagte Relius.
Attolia räumte ein, dass es eine Herausforderung war. »Das ganze Meder-Reich war leichter umzulenken«, sagte sie. »Ornon hatte recht damit, dass man ihn zu nichts zwingen kann. Ich weiß nicht, warum er es dennoch immer wieder versucht.«
»Ich glaube, er bildet einen Gegenpol zu Euch, meine Königin, und wartet auf Euren Spielzug.«
»Den habe ich schon gemacht«, sagte Attolia. »In meiner Hochzeitsnacht. Ihr habt doch sicher gehört, was in unserer Hochzeitsnacht vorgefallen ist?«
Relius wandte den Blick ab. »Er sagt, Ihr hättet … geweint«, erwiderte er leise.
»Aber nicht, dass er ebenfalls geweint hat«, sagte die Königin und amüsierte sich bei der Erinnerung. »Wir waren sehr weinerlich.«
»Ist es das, was er Dite im Garten erzählt hat?«, fragte Relius und setzte die Einzelteile Stück für Stück zusammen.
»Ich glaube ja. Ich habe keinen von beiden rundheraus danach gefragt. Würdet Ihr gern noch mehr über die Liebesabenteuer jener Nacht hören? Er hat mir gesagt, dass die Garde halbiert werden müsste; ich habe ihm ein Tintenfass an den Kopf geworfen.«
»Hat er da geweint?«
»Da hat er sich geduckt«, sagte Attolia trocken.
Relius, der glaubte, den Humor der Königin nun besser einschätzen zu können, sagte: »Ich hätte nie gedacht, dass Ihr noch einmal zum Fischweib werden könntet.«
»Da seht Ihr, wie die Macht der Liebe einen verändern kann!«
»Die Garde«, sagte Relius nachdenklich.
»Auch Eure Lieblingssorge«, sagte Attolia.
»Verkleinert Ihr sie?«
»Ihr wisst, warum ich das bisher nicht getan habe. Weil ich es nicht kann, nicht wenn das Meder-Reich seine Armeen
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