Der Gebieter
stehen. Ich mag ja mit einer Hand einen schlechten König abgeben, aber die Götter können bezeugen, dass ich gar kein König wäre, wenn ich noch beide hätte.«
»Euer Majestät …«
Der König fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Und ich habe auch gerade über dich nachgedacht, und nun bist du hier, du armer, dämlicher Mistkerl, und versuchst mich dazu zu bringen, von dieser Mauer herunterzukommen.«
Er wirbelte wieder herum, ging die Zinne entlang und sprang, bevor Costis auch nur Zeit hatte, Luft zu holen, um zu protestieren, geschickt zur nächsten.
»Du stellst mich vor eine Schwierigkeit, Costis, weil ich dir etwas Besseres schulde als das, was dir jetzt droht – Tod durch herabfallende Dachziegel.«
Abgelenkt sagte Costis: »Das war ein Unfall.« Doch schon während er sprach, dachte er noch einmal darüber nach. Die alten, zerbrochenen Ziegel hätten durchaus schon im Voraus auf dem Boden verstreut worden sein können. Zerbrochene
Dachziegel waren in jedem Abfallhaufen im Palast leicht aufzutreiben.
Der König drehte sich um die eigene Achse, um Costis anzusehen; einen Moment lang schwankte er, bevor er das Gleichgewicht wiederfand.
»Woher wisst Ihr das mit den Dachziegeln?«, fragte Costis.
»Ich bin allwissend; ich weiß alles. Oder zumindest war dem so, bevor ich vier Kammerherren, einen Trupp Wachen, einen Truppführer und einen Sonderleutnant überallhin mitschleppen musste. Um ehrlich zu sein«, gestand der König, »wusste ich es nicht. Du hast es mir gerade erzählt. Ich habe nur gut geraten, weil das eine recht verbreitete Mordmethode ist. Das ist wahre politische Klugheit: gut raten zu können. Sag mal, hast du in all deiner täppischen Unschuld noch andere Attentate auf dich bemerkt?«
Costis dachte einen Moment lang nach. »Ja«, sagte er zögernd, »vielleicht.« Er überzeugte sich selbst – überrascht, wie wenig Mühe das kostete. »Ja.«
»Ja«, stimmte der König zu. »Es ist gefährlich, als Vertrauter eines Königs zu gelten. Messerstechereien in Schenken, angriffslustige Trunkenbolde und ein verirrter Pfeil im Schießstand. Sonst noch etwas?«
»Ist das auch nur geraten?« Costis starrte ihn ungläubig an.
»Nein.«
»Ihr seid wirklich allwissend.«
Der König schüttelte den Kopf. »Ich habe Relius gebeten, mir zwei fähige Männer zu nennen, die dich im Auge behalten sollten. Ich konnte dich ja nicht in der Wachstube festhalten, bis du eines natürlichen Todes stirbst. Und du, du dummer Kerl, warst schon einmal davonspaziert und hattest beinahe einen Schwung Dachziegel abbekommen.«
»Was für Männer?«
»Einem von ihnen bist du nach der Messerstecherei vor der Schenke begegnet.«
Costis erinnerte sich an den Fremden.
»Sie können aber nur in begrenztem Maße eingreifen. Sie können dich beobachten, aber manchmal gibt es verdammt noch mal nichts anderes, was sie tun können. Es war schieres Glück, dass der Pfeil dich verfehlt hat. Nun ja«, sagte der König, »ich hatte gehofft, dass deine offensichtliche Empörung darüber, fallen gelassen worden zu sein wie ein gebrauchter Handschuh, dich schützen würde, aber offenbar hat sie das nicht. Ich könnte dich im Binnenland verstecken, aber ich kenne ehrlich gesagt nicht genügend Leute in Attolia, denen ich vertraue. Ich könnte meine Cousine Eddis ansprechen und sie bitten, dich zu verstecken, aber um noch ehrlicher zu sein, muss ich einräumen, dass es blamabel wäre, das tun zu müssen.« Er sah Costis an und sagte: »Ich lasse mich nicht gern blamieren.« Er rieb sich die Seite, und Costis wusste, dass er an Sejanus dachte. »Ich habe ihn auf dem Balkon gesehen, bin wie ein Dummkopf dagesessen und habe mich gefragt, was er tat.« Er schüttelte vor Selbstekel den Kopf und ging die Mauer entlang. Costis folgte ihm. »Ich hoffe, du weißt, dass ich einmal vom Palast zu den Dächern dort drüben springen konnte.« Der König betrachtete die Leere unter sich und sagte traurig: »Wenn ich es jetzt versuchen würde, würde ich mir wahrscheinlich bei der Landung den Bauch aufschlitzen. Aber es bringt mich auf einen Gedanken, was ich mit dir anstellen kann. Am Morgen werde ich Teleus mitteilen, dass ich dich von der Garde wegversetze. Das wird dir zwar nicht gefallen«, verkündete er Costis mitleidlos, »aber du hättest mir ja auch nicht ins Gesicht schlagen sollen … vor all diesen vielen Menschenaltern.«
Es fühlte sich tatsächlich an, als wären ganze Menschenalter vergangen, seit Costis den
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