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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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nicht sicher. Er wusste, was er auf dem Dach gehört hatte, obwohl er es nicht glaubte.
    »Euer Majestät«, sagte Costis noch einmal, lauter als die Kammerherren.
    Der König drehte sich um; er schwankte nur ein wenig. Er legte die Hand auf die Strebe, die neben ihm herabführte. »Ja?«
    »Ihr habt gesagt, Ihr wärt mir etwas Besseres schuldig als einen Tod durch herabstürzende Dachziegel.«
    »Ja?«
    »Kann ich um etwas bitten?«
    Der König schien nachzudenken. »Bitten kannst du«, sagte er. »Ich bin König, Costis, kein Flaschengeist. Ich erfülle keine Wünsche.«
    »Kommt morgen früh zu den Fechtübungen der Garde.«
    Der König starrte ihn an, als hätte er Schwierigkeiten, klar zu sehen. »Costis? Hast du auch nur die geringste Vorstellung, wie sich mein Kopf morgen früh anfühlen wird?«
    »Ihr habt gesagt, dass Ihr morgen mit Teleus sprechen würdet. Kommt Ihr?«
    »Warum?«, fragte der König misstrauisch.
    »Eure Seitenwunde ist geheilt. Ihr braucht die Bewegung.« Als der König weiter zweifelnd dreinblickte, fügte er hinzu: »Weil ich darum bitte.«
    »In Ordnung«, sagte der König schließlich. »In Ordnung, ich werde da sein. Igitt …«, murmelte er, als er sich abwandte.
    Costis und die Kammerherren sahen mit zugeschnürter Kehle zu, wie er das Atrium überquerte. Niemand rührte sich oder sprach, bis er die gegenüberliegende Seite erreicht und sich auf den Balkon dort gezogen hatte. Dann wirbelte Costis zu den Kammerherren herum.
    »Das ist mein Preis«, sagte er. »Ihr sorgt dafür, dass er morgen früh zu den Fechtübungen erscheint.«
    »Weißt du, wie er sich morgen früh aufführen wird?«, fragte einer.
    »Costis … Wir können doch nicht einfach …«
    »Ihr könnt«, beharrte er. »Ich habe doch gesehen, wie ihr ihn schikaniert. Jeder Einzelne von euch.«
    »Das war vorher.«
    »Dann werdet ihr eben so tun müssen, als ob nichts sich geändert hätte. Bringt ihn morgen früh zu den Fechtübungen.«
    Sie zögerten.
    »Als ich gesagt habe, dass du deinen Preis nennen sollst, habe ich an Silber gedacht«, gestand Hilarion.
    »Ich nicht.«
    »In Ordnung«, gab er nach, »wenn das dein Preis ist… Aber du bist offensichtlich ebenfalls verrückt.«
    Sie kehrten um und gingen durch die Tür zum Treppenhaus. Costis blieb auf einem Treppenabsatz eine Treppe tiefer stehen und sah zu, wie die Kammerherren und der Trupp Wachen davongingen. Er kehrte in sein Quartier zurück und verlief sich auf dem Weg ein wenig.
     
    Am Morgen war er früh auf den Beinen und angekleidet. Er ging in den Speisesaal hinunter, der leer war, und schnitt sich ein Stück von einem frisch gebackenen Brotlaib ab. Er gehörte zu den ersten Männern auf dem Übungsplatz. Die anderen Gardisten machten Dehnübungen und plauderten miteinander. Sie ignorierten ihn. Er ging auf und ab und versuchte, nicht zu besorgt dreinzublicken. Wenn der König nicht kam, würde er in die Verlegenheit geraten, allein üben zu müssen. Er hatte schon bemerkt, dass niemand mehr gegen ihn antreten wollte. Nachdem er heute Morgen schon hergekommen war, wusste er, dass sein Stolz nicht zulassen würde, dass er ohne irgendetwas, das nach Fechtübung aussah, wieder ging. Er betete, dass der König kommen würde.
    Er hatte schlecht geschlafen und war in der Nacht immer wieder aufgewacht; die Stimme, die er auf der Mauerkrone gehört
hatte, war ihm nicht aus dem Kopf gegangen. Im Licht des Morgens wirkte der ganze Vorfall wie ein Teil eines verworrenen Albtraums. Costis war es lieber so.
    Schließlich erschien der König. Er kam spät, das Gesicht noch vom Schlaf zerknittert, als der Übungsplatz sich schon gefüllt hatte und die Gardisten sich zu Paaren geordnet und auf dem ganzen Hof zu fechten begonnen hatten  – nur nicht an der freien Stelle, an der Costis ganz allein wartete. Das Erste, was der König tat, war, zu einem der Brunnen an der Wand zu gehen und den Kopf hineinzustecken. Er schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht, so dass funkelnde Wassertropfen in die Luft stoben, und ging dann über die Freifläche zu Costis; seine Kammerherren ließ er zurück.
    »Sollen wir mit den ersten Übungen anfangen?« Er sah auf seinen Manschettenknopf hinab. Er war geöffnet, und der König hielt unbeholfen das Schwert und versuchte zugleich, sich die Manschette zuzuknöpfen.
    »Wohl kaum«, sagte Costis, und als der König aufblickte, führte Costis einen Hieb, der auf seinen Kopf zielte.
    Costis stand nicht nahe bei ihm, und der König

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