Der Gebieter
die Höhle, die zwar hoch war, aber nicht tief in den Berg reichte. Es gab einen dunkleren Durchlass auf der Rückseite, der tiefer hineinführte, aber er war selbst für ein Kind zu eng. Ein Wasserrinnsal sickerte daraus hervor und floss durch einen Kanal in ein Becken, das aus dem Fels herausgehauen war. Helena trank und füllte ihren Wasserschlauch, bevor sie nach Nestor pfiff, damit er kam und auch etwas trank. Das Wasser war kalt und schmeckte nach Schnee.
Als am Abend die Tauben nach Hause kamen, spannte sie ihre Armbrust und schoss Bolzen auf sie, bis es zu dunkel wurde, um zu sehen, wo sie hinfielen. Sie traf keinen einzigen Vogel. Sie hatte nur den Brotlaib und ein Päckchen gezuckerter Nüsse zum Abendessen. Seufzend machte sie sich daran, Feuerholz zu sammeln. Die Dunkelheit senkte sich rasch herab, und Helena brannte die Haut vor Kälte. Sie trug einen viel größeren Stapel zusammen, als sie brauchen würde.
Sie entzündete ihr Feuer auf der Terrasse, die auf ihr kleines Reich hinausging, und legte ihre Decken daneben aus. Als sie den Beutel öffnete, der ihr Essen enthielt, sah sie zweifelnd hinein. Sie warf einen Blick über die Schulter auf ein nahes Loch, das in den Naos des Tempels führte, und dachte darüber nach,
wie sehr ihre erfolgreiche Rückkehr vom Glück abhing. Widerstrebend teilte sie den Brotlaib in zwei Hälften und trug eine davon samt aller Nüsse in den Tempel, um sie auf dem Altar vor dem leeren Sockel darzubringen. Sicher war sicher!
Nachdem sie die verbliebene Hälfte des Brotes gegessen hatte, rollte sie sich in ihre Decken ein und legte sich zwischen dem Feuer und ihrem Holzstoß hin, um zu schlafen. Ohne ganz wieder wach zu werden, konnte sie Äste vom Stapel nehmen und aufs Feuer legen. Sie lauschte Nestors Schnauben, während auch er seine Nachtruhe begann, und schlief dann ein, ohne zu wissen, in genau welchem Moment.
Die Kälte weckte sie – die Kälte und der leere Marmor, den sie unter der Hand spürte, als sie nach ihrem Holzstapel tastete. In dem Glauben, nur das Holz, das am nächsten bei ihr lag, aufgebraucht zu haben, streckte sie den Arm weiter aus. Immer noch kein Holz. Sie seufzte enttäuscht und öffnete die Augen im Licht des verglimmenden Feuers. Ihr Holzstoß war nicht mehr da. Im Halbschlaf setzte sie sich auf und blickte sich gründlicher auf der Terrasse um. Es war kein Holz da. Sie sah wieder das Feuer an, was ein Fehler war. Es machte sie nachtblind, und als sie sich vergewissert hatte, dass das kleine Lagerfeuer nicht all ihr Holz verbrannt haben konnte, ohne mehr Asche zu hinterlassen, so dass sie nicht versehentlich all ihren Brennstoff im Schlaf aufs Feuer gelegt haben konnte, war sie nicht mehr in der Lage, sonst noch etwas zu sehen.
Sie wandte sich vom Feuer ab und wartete geduldig, bis die Blindheit sich gelegt hatte, nur, um endlich zu sehen, dass ihr Holzvorrat bis hin zum letzten Stock verschwunden war. Sie drehte sich beinahe um, um noch einmal das Feuer zu überprüfen, aber Helena machte nie zweimal denselben Fehler. Sie blickte stattdessen in eine andere Richtung. Bevor ihr ganz bewusst geworden war, wonach sie suchte, sah sie es schon: das
Glühen eines anderen Feuers, das in der Nähe brannte. Mit ihrem Holz brannte.
Sie kniff den Mund zusammen, und ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich. Räuber hätten sie nicht schlafen lassen, und ein anständiger Mensch hätte ihr nicht alles Holz weggenommen, auch wenn er keine Zeit gehabt hatte, selbst welches zu sammeln. Ein anständiger Mensch hätte sich wahrscheinlich einfach nur mit an Helenas Feuer gelegt. Bloß ein Duckmäuser hätte alles Holz genommen und sie in der Kälte liegen lassen. Die Liste der möglichen Verdächtigen war lang: Jeder der Neuen Speere konnte es getan haben. Sie waren solche Wichtigtuer, wenn sie erst einmal aus dem Knabenhaus heraus waren! Einer ihrer Cousins oder vielleicht Pylaster. Das Brot und die Nüsse auf dem Altar waren ein vergebliches Opfer gewesen. Wer auch immer ihr das Feuerholz weggenommen hatte, würde ihr Abenteuer im Palast herumerzählen, und dann würde es großen Ärger geben, wenn sie nach Hause zurückkehrte.
Sie zitterte vor Kälte und ballte verärgert die Fäuste. Sie hätte gern die Pferde der arroganten Neuen Speere genommen und sie nach Hause laufen lassen, aber sie konnte Nestor nicht über die Terrasse führen, ohne jeden zu wecken, der im Tempel schlief, und sie würde ihn nicht zurücklassen. Sie hätte auch gern das Holz
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