Der Gebieter
Schuld, Euer Majestät.«
»Ja, das war es«, pflichtete der König ihm liebenswürdig bei. Costis schaute rasch auf und sah, dass der König zur Abwechslung einmal freundlich lächelte. »Es war aber auch meine Schuld«, sagte er beschwichtigend. »Ich habe die Fassung verloren.«
Als der Junge mit einem Tuch voll Eis aus der Küche zurückkehrte, hielt Costis es sich ans Gesicht.
»Leg dich hin«, sagte der König. »Teleus kann dich für heute aus dem Dienstplan streichen.«
»Ich erhole mich schon wieder, Euer Majestät.«
»Natürlich. Genieß deinen freien Tag.«
Costis hätte noch einmal protestiert, aber das Gesicht tat ihm weh, und der Gedanke, einen Tag freizuhaben, war verführerisch.
»So ist es besser«, sagte der König. »Sei nur weiter so gehorsam, Leutnant, dann kannst du eines Tages noch Hauptmann der Leibgarde werden. Die Königin würde dich zwar nie dulden, aber vielleicht werden wir ja beide ermordet; dann könntest du der Hauptmann meines Erben werden. Gib nur nicht die Hoffnung auf, weil die Wahrscheinlichkeit so gering ist.«
»Die eines Mordes oder die, dass ein Erbe geboren wird, Euer Majestät?«
Es herrschte Schweigen.
Costis blickte auf, hörte zu spät, was er gesagt hatte, und begriff, zu wem er es gesagt hatte.
Dem König stand vor Verwunderung der Mund offen. Einigen Leuten ringsum ging es ebenso.
Costis hob die andere Hand vor die Augen und begriff nicht, dass das Lachen, das er hörte, vom König kam.
»Costis, die schlechten Gewohnheiten meiner Kammerherren scheinen auf dich abzufärben, und du hast noch nicht einmal die Entschuldigung, dich mit unverdünntem Wein betrunken zu haben. Sollen wir das hier auf deine Kopfschmerzen schieben?«
»Bitte, Euer Majestät, es tut mir leid, wenn …«
»Ganz und gar nicht«, sagte der König, »ganz und gar nicht.« Er entfernte das Eis von Costis’ Gesicht, um sich die Prellung noch einmal anzusehen. »Aber warum sollte ich mir überhaupt Sorgen darum machen, ermordet zu werden, wenn mich eine derart wackere Garde beschützt?«
Er tätschelte Costis sacht die Schulter und ging.
Trotz des unerfreulichen Anfangs genoss Costis seinen freien Tag. Teleus wies ihn an, sich einen Großteil des Vormittags in seinem Zimmer hinzulegen, bis sie beide sicher waren, dass der Schlag sich nicht auf sein Augenlicht ausgewirkt hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte Costis bereits einen Bärenhunger und freute sich auf ein entspanntes Mittagessen. Er hatte sich nicht mehr zum Mittagessen auf eine Bank gesetzt, seit er dem König zu dienen begonnen hatte.
Er hatte damit gerechnet, allein zu essen, aber im Speisesaal hielt sich noch eine ganze Anzahl von Männern auf, und sie
winkten ihm zu, zu ihnen zu stoßen. Er schwang ein Bein über die Bank, setzte sich hin und fand sich von erheiterten Gesichtern umgeben.
»Beim Ausholen zu einem Primhieb?«, sagte jemand.
Costis versuchte, eisern zu leugnen. »Ich musste mich doch irgendwann von ihm schlagen lassen.«
Sie erwogen dies schweigend. Dann lachten sie ihn aus.
An jenem Abend speisten die Königin und der König mit ihrem Hof, wie es seit der Hochzeit zur Gewohnheit geworden war. Ornon, der Botschafter aus Eddis, war aus diplomatischen Rücksichten mit dabei. Er war nicht zufrieden. Nach dem Essen würden die Tische weggeräumt werden, und dann würde man tanzen. Der König und die Königin würden als Erste tanzen; dann würde die Königin sich auf ihren Thron zurückziehen, und der König würde höflich die Runde durch den Raum machen und von Zeit zu Zeit zurückkehren, um sich zu ihr zu setzen. Ornon wusste schon im Voraus, dass der König ausnahmslos mit den falschen Leuten tanzen würde: den Mauerblümchen, den jüngeren Töchtern schwacher Barone, ihren Nichten und unverheirateten älteren Damen ohne jede Bedeutung. Er würde die ältesten Töchter übergehen, die ihm vorgestellt wurden, ebenso die Frauen aus mächtigen Familien, mit denen er doch Bündnisse knüpfen sollte. Er beging diesen Fehler nicht aus Unwissenheit. Ornon hatte ihm schon oft gesagt, mit welchen Damen er tanzen sollte, aber der König behauptete, sich nicht daran erinnern zu können. Ornon hielt es für wahrscheinlicher, dass der König an seine Grenzen gestoßen war und sich nicht zwingen wollte, noch eine politisch motivierte Komödie zu spielen.
Ornon freute sich nicht auf den Rest des Abends; er aß wie ein Spatz und fragte sich, warum er jemals angenommen hatte,
dass es vergnüglich sein würde, den
Weitere Kostenlose Bücher