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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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würde an seine Stelle treten?
    Costis wagte kaum zu atmen. Der König hatte die Verhaftung nicht selbst angeordnet, obwohl er das hätte tun können, sondern die Königin öffentlich angewiesen, es zu tun. Jetzt würde sich erweisen, ob die Königin die Ihren schützen konnte oder nicht.
    »Holt Teleus«, sagte sie, und ein Bote eilte aus dem Saal.
    Du denkst ja vielleicht, dass er nicht wie ein König zu handeln versteht, aber er glaubt, dass er es sehr wohl kann.
    Sie warteten wie Wachsfiguren. Costis fragte sich, ob die Gedanken der anderen auch so stumm im Kreis jagten wie die seinen. Die Königin ließ sich nicht anmerken, was sie dachte. Nicht einmal ihr Blick bewegte sich, bis Teleus vor ihr stand. Ihr Mann war der Herrscher von Attolia, und ihr Land war mit eddisischen Soldaten übersät. Sie befahl die Verhaftung ihres Archivsekretärs.
    »Keine Fehler dabei, Teleus«, sagte die Königin warnend. »Und es geschieht sofort.«
    Sobald der Hauptmann fort war, wurden sie wieder zu Wachsfiguren. Die Zeit verging langsam. Niemand sprach; niemand rührte sich. Sie warteten. Die Türen öffneten sich, aber es war der eddisische Botschafter. Er verneigte sich vor dem Thron und ging leise zu einem Platz an der Wand hinüber. Die Türen öffneten sich wieder, und diesmal war es Teleus. Er hatte seine Gardisten und, umringt von ihnen, den Archivsekretär bei sich. Fassungslos wandte der Hof sich wieder dem König zu. Die Wahrheit stand in Teleus’ Gesicht und in dem des Archivsekretärs zu lesen. Relius war schuldig.
    »Er war dabei, das hier zu schreiben«, sagte der Hauptmann der Leibgarde und schwenkte eine Reihe von Papieren, die er in der Hand hielt. »Er hat versucht, Gift zu nehmen, als er uns in der Tür stehen sah, Euer Majestät.«
    »Enthalten die Papiere ein Geständnis?«
    »Ja.«
    Sie führten Relius durch den Saal, und er fiel vor dem Thron auf die Knie. Er starrte vor sich hin wie ein Mann, der nichts bis auf den eigenen Tod vor sich sieht, ein Mann, für den die Geräusche der Welt nichts als ein gedämpftes Dröhnen sind.
    Ausdruckslos hob er den Blick zur Königin. »Darf ich es erklären?«
    Die Königin sah auf ihn hinab und sagte nichts. Seine Lippen bewegten sich, als würde er sprechen, aber er fand keine Worte. Er schloss kurz die Augen und rang nach Luft, um zu beginnen. »Als ich Euch sagte, dass ich nicht wüsste, wer uns verraten hätte … habe ich gelogen«, gestand er. »Ich hatte bereits erkannt, dass es nur meine Schuld sein konnte. Ich pflegte eine Frau in der Stadt zu besuchen. Ihr wusstet von Ihr, Ihr habt erfahren, als sie mich verlassen hat. Ich dachte, sie wäre meiner müde geworden,
aber als sie verschwand, hätte ich begreifen sollen, dass ich sie zu viel hatte sehen lassen, dass sie eine Spionin der Meder war.« Er hielt sich den Kopf. »Meine Königin …«
    Teleus versetzte ihm einen so heftigen Schlag gegen den Hinterkopf, dass er vornüber auf die Marmorstufen vor dem Thron stürzte.
    »Für dich ist sie ›Eure Majestät‹!«, blaffte der Hauptmann der Leibgarde.
    »Teleus.« Die Königin hielt ihn mit diesem einen Wort zurück, aber anders als ihr Gesicht spiegelte seines seinen ganzen Zorn und das Gefühl wider, verraten worden zu sein.
    »Das Gift?«, fragte sie Relius, der sich wieder auf die Knie gestemmt hatte.
    »Ich hatte Angst«, sagte er.
    »Das ist verständlich«, erwiderte Attolia. »Aber hält ein unschuldiger Mann Gift bereit?«
    »Meine … Euer Majestät«, verbesserte sich Relius. »Ich habe Euch im Stich gelassen, ich habe an Euch versagt, aber ich schwöre, dass ich nie vorhatte, Euch zu verraten. Ich war dabei, das alles aufzuschreiben, damit Ihr es erfahren würdet. Ich hatte nicht vor, es Euch zu verheimlichen. Ihr müsst mir glauben«, beharrte er.
    »Muss ich das, Relius?«
    Wenn alles, was er sie gelehrt hatte, zutraf, dann gab es nur eine Antwort auf ihre Frage.
    Seine Lippen formten das Wort, aber er brachte es nicht heraus. Er schüttelte den Kopf.
    »Nein«, pflichtete die Königin ihm leise bei. »Führt ihn ab.«
    Als er fort war, rührte sich niemand im ganzen Hofstaat; alle fürchteten, ihren Blick als Erste auf sich zu ziehen.
    »Wirst du zusehen?«, fragte der König.
    »Ich muss«, sagte die Königin.
    »Ich kann nicht«, gestand der König.
    »Natürlich nicht«, erwiderte Attolia. Sie wandte sich ihrem Kämmerer zu, dem es oblag, die Leute vor das Angesicht der Majestäten und wieder fort zu führen, und sagte: »Wir sind hier

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