Der Gebieter
es ihm gefiel. Offenbar waren sowohl er als auch die Königin in der Lage, heimlich das Schlafzimmer der Königin zu erreichen, wenn sie wollten.
»Er hat vor ein paar Stunden ein paar Tropfen Lethium eingenommen, also glaube ich nicht, dass es unbedingt notwendig ist, leise zu sein«, sagte die Königin. Costis wandte sich ihr zu und nahm eilig Haltung an. Nichts konnte die Röte aufhalten, die ihm bis an den Haaransatz stieg.
Die Königin amüsierte sich. »Ich will, dass du hierbleibst, bis er aufwacht.«
»Ja, Euer Majestät.«
»Du darfst dich hinsetzen.«
»Danke, Euer Majestät.« Costis rührte sich nicht.
»Sag einer Kammerfrau Bescheid, wenn er aufwacht.«
»Ja, Euer Majestät.«
Nachdem sie gegangen war und die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, holte Costis zittrig Atem und blickte sich im Zimmer um. Vorsichtig trat er ans Bett heran. Das Gesicht des Königs war von ihm abgewandt. Costis beugte sich über ihn, um es genau zu betrachten, und war sich bewusst, dass er sich eine Freiheit herausnahm, die sicher nur sehr wenigen gewährt wurde. Eugenides sah im Schlaf ganz anders aus, jünger und – Costis suchte nach einem Wort dafür – sanfter. Costis hätte nie gedacht, dass der Gesichtsausdruck des Königs angespannt war, bevor er diese Anspannung durch ein paar Tropfen Mohnsaft gelöst sah.
Nachdenklich trat er von dem erhöhten Bett zurück. Ein niedriger Sessel stand daneben. Costis ließ sich zögernd darin nieder. Die Schnallen seines Brustpanzers gruben sich in seine Seite und versicherten ihm, dass dies nicht alles nur ein Traum war.
Das Morgenlicht war trüb. Der Himmel war noch grau. Costis gähnte. Wie zur Antwort auf ein Gebet erschien Phresine mit einem Tablett in den Händen. Costis klappte den Mund zu und stand auf; er hatte ein schlechtes Gewissen, sich hingesetzt zu haben.
Sie lächelte, um ihn zu beruhigen. »Ich dachte, Ihr hättet vielleicht Appetit auf ein Frühstück«, sagte sie.
»Danke, meine Dame«, flüsterte Costis. »Ich weiß nicht, ob ich das annehmen sollte.«
»Natürlich solltet Ihr«, sagte sie. Sie hatte die Stimme gesenkt, flüsterte aber nicht. »Ihr seid hier nicht im Wachdienst. Die Männer in der Wachstube können für seine Sicherheit sorgen. Ihr seid hier, falls … es ihm nicht gut geht, wenn er aufwacht.« Sie stellte das Tablett auf einem Tischchen neben Costis’ Sessel ab und ging zum Bett hinüber, um dem König die Hand auf die Stirn zu legen. Er regte sich nicht. Sie ließ die Hand an seinem Gesicht hinabgleiten, um seine Wange zu umfassen, und
beugte sich über ihn, um ihn auf die Stirn zu küssen, wie eine Mutter, die ihr Kind küsste.
Costis starrte sie an.
Phresine lächelte. »Das kann sich eine alte Frau durchaus herausnehmen« , sagte sie. »Sogar bei einem König.« Sie huschte durch die Tür und ließ Costis wieder allein.
Das Schlafzimmer der Königin war golden wie eine Honigwabe und friedlich wie ein Grab. Obwohl Costis sich dann und wann des leisen Kommens und Gehens in den übrigen Gemächern der Königin bewusst wurde, war die Stille im Schlafgemach einschläfernd. Er stand auf, ging auf dem Teppich auf und ab, um sich wach zu halten, und betrachtete mit Interesse – aber ohne zu großes! – den Schreibtisch der Königin mit seinen ordentlichen Reihen von Tintenfässern und Federn, die geschnitzten Schmuckperlen auf einem Regal und die Ansammlung kleiner Amphoren auf einem Tisch. Dann setzte er sich wieder hin und sah dem König beim Schlafen zu.
Einmal drehte Eugenides den Kopf auf dem Kissen herum und öffnete die Augen. Er schaute sich im Zimmer um, verwirrt, aber unbesorgt. Sein Blick verharrte auf Costis.
Costis beugte sich in seinem Sessel vor und sagte: »Schlaft weiter.«
Eugenides schloss gehorsam die Augen.
Costis lächelte. Hinter ihm lachte jemand leise, und er zuckte zusammen. Es war Ileia, eine der jüngeren Kammerfrauen der Königin; das dunkle Haar quoll ihr aus dem silbernen Netz hervor und lockte sich an ihrem Hals. Sie lehnte mit verschränkten Armen im Türrahmen. »Ich hätte nicht gedacht, dass er jemals tut, was man ihm sagt«, bemerkte sie lächelnd.
»Ich habe ihm nur geraten, das zu tun, was er ohnehin getan hätte«, erwiderte Costis.
»Wahrscheinlich liegt es daran«, stimmte Ileia ihm zu.
Später, als Eugenides sich wieder regte, war Costis erleichtert, annehmen zu dürfen, dass der König vielleicht endlich aufwachte. Costis war stumpfsinnig vor Müdigkeit. Der Tag war
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