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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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Königin, Luria, kam den Gang entlang und sprach sie an,
und als sie flüsternd ein paar Worte gewechselt hatten, stand die ältere Frau auf. Sie nickte den übrigen Kammerfrauen zu, und sie huschten allesamt davon und ließen die Wachen und die Kammerherren des Königs miteinander allein.
     
    Es wurde eine lange Nacht.
    Die Kammerherren des Königs würfelten, spielten Karten oder lagen schlafend auf den Bänken. Costis und seine Gardisten standen auf ihren Posten. Costis wünschte sich, die Kammerherren des Königs hätten weggehen können wie die Kammerfrauen der Königin, aber er nahm an, dass sie wohl in Reichweite sein mussten, falls der König nach ihnen rief, so unwahrscheinlich das auch sein mochte. Am Ende schliefen die meisten Kammerherren.
    Zur nächtlichen Hundewache erfolgte der Wachwechsel. Costis schickte seine Männer zurück in ihre Quartiere, blieb aber selbst auf seinem Posten. Nur seine Autorität konnte die Kammerherren aus der Wachstube fernhalten. Der neue Hauptmann, Enkelis, ließ sich nicht blicken, obwohl er von der Auseinandersetzung zwischen den Gardisten und den Kammerherren gehört haben musste. Es erschien auch keiner der anderen Leutnants, obwohl sie ebenfalls davon gehört haben mussten. Zweifellos hielten sie es für das Sicherste, die Sache weiterhin Costis zu überlassen und sich so jeglicher Verantwortung für ihren Ausgang zu entziehen, wie Costis trocken vermutete.
     
    Als Phresine zurückkehrte, war ein grauer Lichtschein im Atrium am Ende des Ganges zu sehen. Phresine baute sich, den anderen auf dem Flur den Rücken zugewandt, vor Costis auf und hielt einen goldenen Siegelring hoch, in den eine Rubingemme eingelassen war.
    »Kommt bitte mit, Leutnant«, sagte sie.
    Costis schüttelte überrascht den Kopf. Er konnte die Tür des Königs nicht verlassen.
    Sie sah ernst zu ihm auf und hob den Ring etwas höher. Es war der Siegelring der Königin von Attolia. Solange Phresine ihn in der Hand hielt, sprach sie mit der Stimme der Königin. Ihr nicht zu gehorchen hätte geheißen, einen direkten Befehl der Königin zu verweigern.
    Costis warf einen Blick über die Schulter auf die geschlossene Tür hinter sich. Dann sah er wieder die Kammerfrau der Königin an. Sie gab keine weitere Erklärung ab. Er wusste, obwohl er es niemandem gesagt hatte, dass seine Befehle, den König Tag und Nacht zu bewachen, über Enkelis von der Königin selbst gekommen waren. Er sah noch einmal die Menschen an, die sich auf dem Gang drängten, versuchte sich zu erklären, was es hätte rechtfertigen können, den König und die Königin unbewacht zu lassen, und konnte es nicht.
    »Und meine Männer?«, fragte er die Kammerfrau.
    »Lasst sie hier, wenn Ihr wollt. Sie werden nicht gebraucht.«
    »Nun gut.« Der König würde auch ohne ihn hinreichend bewacht werden. Er befahl dem Truppführer, der Dienst hatte, keinen Menschen in die Gemächer des Königs vorzulassen, bis der König oder die Königin jemanden zu sich befahl. Dann folgte er der Kammerfrau der Königin.
     
    In der prunkvollen Wachstube der Königin ließ er sein Schwert und das Gewehr zurück, das er einem anderen Gardisten abgenommen hatte. Niemand drang bewaffnet weiter in die königlichen Gemächer vor. Er folgte seiner Führerin durch einen Gang und verschiedene miteinander verbundene Räume in eine kleine Kammer, die ihrer Einrichtung nach als Vorzimmer diente, mit einer Liege, einem Schreibtisch und einer geschlossenen Tür. Phresine klopfte leise an, drückte die Klinke herunter
und öffnete die Tür. Sie war eine kleine Frau, und Costis konnte ihr mühelos über die Schulter blicken. In dem Zimmer saß auf einem vergoldeten Stuhl die Königin und wartete auf ihn.
    Costis blinzelte.
    Er trat wie von selbst vor, aber sein Verstand war mehrere Zimmer entfernt. Als er drei Schritte weit ins Schlafgemach der Königin vorgedrungen war, konnte er den ganzen Raum sehen, holzgetäfelt, mit goldenen Teppichen ausgelegt, mit Truhen, einem Schreibtisch, verschiedenen Stühlen und einem Bett eingerichtet, das auf einer Estrade stand und eine Überdecke aus golddurchwirktem Stoff hatte. Es gab keine Bettpfosten, keinen Baldachin und keine Vorhänge, die hätten verbergen können, wer schlafend darin lag.
    Costis wusste schon, wer es war, bevor er das dunkle Haar auf dem Kissen sah. Wenn er nicht so müde gewesen wäre, hätte es ihn nicht überrascht. Eugenides hatte längst bewiesen, dass er sich durch den Palast von Attolia bewegen konnte, wie

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