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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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echote Naomi ungläubig. Was war mit Jenn?
    Seine Grimasse hätte sie beinahe zum Lachen gebracht. Glücklicherweise bekam Rachel nichts mit, weil er immer noch hinter ihr stand. »Sie ist eine Backpackerin aus Fresno, geboren und aufgewachsen im Central Valley, dem kalifornischen Mekka des Massenweinbaus.«
    »Hey!« Rachel boxte ihn sachte hinter ihrem Rücken.
    »Ist doch die Wahrheit«, sagte er und umschlang von hinten ihre Taille. »Vor einem Monat klopfte sie auf der Suche nach Arbeit an unsere Tür.«
    »Und seitdem bin ich hier gestrandet.« Rachels Händedruck war fest. Sie schien es gewohnt zu sein, anzupacken.
    Neidisch betrachtete Naomi ihre langen schlanken Beine, die der Minirock mit dem orientalischen Muster kaum verhüllte, genauso wenig wie die Paillettenweste ihre Brüste. Sie hatte sich wohl nicht für eine Kette entscheiden können, denn um ihren Hals lagen gleich acht mit Holzanhängern und bunten Glasperlen. Auch in ihren schwarzen hüftlangen Zopf war eine Perlenkette eingeflochten. Ihre nackten Füße steckten in Sandalen, der schwarze Nagellack auf ihren Zehen blätterte ab.
    Carol und William schlossen Naomi in die Arme. Am Haaransatz sah Naomi, dass ihre Tante unter der Blondierung grauer geworden war, und Bill gab zu, ein neues Loch in seinen Gürtel gestanzt zu haben, damit er wieder passte, aber sie sahen aus wie das blühende Leben.
    »Was macht Catherine?« Ihr Onkel hielt ihre Oberarme so fest, dass Naomi befürchtete, blaue Flecken davonzutragen, aber so war er eben. »Wie geht es Cat?«
    Carol half ihr schließlich aus der Umarmung, indem sie seinen Griff mit Nachdruck löste. »Das weißt du doch. Ich telefoniere einmal in der Woche mit meiner Schwester.«
    »Meine Mom ist übervorsichtig wie immer«, sagte Naomi und rieb über ihre Oberarme. »Obwohl ich sechsundzwanzig Jahre alt bin, will sie immer noch jederzeit wissen, wo ich mich aufhalte.« Die Liebe seines Lebens zu verlieren war schon schlimm genug. Noch dramatischer war es, die Leiche des Mannes identifizieren zu müssen, von dem man ein Kind erwartete.
    »Hat sie sich das Muttermal am Steiß endlich entfernen lassen?«, fragte Carol und schnaubte, da Naomi den Kopf schüttelte. »Sie ist genauso unvernünftig wie dein Onkel. Er unternimmt auch nichts wegen seines Mals.«
    Bill murrte, weil sie diese Unterhaltung schon tausendmal geführt hatten. »Nur ein Leberfleck, der aussieht wie eine Traube Weinbeeren. Es wäre ein schlechtes Omen, ihn zu entfernen.«
    »Tante Carol hat Recht.« Eindringlich sah Naomi ihn an. »Du solltest ihn untersuchen lassen.«
    »Hab ich schon. Der Arzt meinte, er sei gutartig.«
    »Lass ihn trotzdem regelmäßig überprüfen.« Aus dem Augenwinkel sah sie Samuel. Sein Blick ruhte auf ihr. Er machte sie nervös. »Nur für alle Fälle. Bitte, Onkel Bill.«
    »Okay, okay.« Er hob beide Hände, als wollte er sich ergeben.
    Erleichtert atmete Naomi auf, als ihre Cousine Jillian und ihr Mann Jefferson mit ihrem Gast in den Saal traten, denn nun hatte sie einen Grund, Sam den Rücken zuzukehren. Er stand gegen die Fensterbank gelehnt, trank hin und wieder von seinem Wein und taxierte sie die ganze Zeit. Wie ein Tiger, der sein Opfer auserkoren hatte. Wie sollte sie es nur den ganzen Abend mit ihm in einem Raum aushalten? Ihr Körper war wie elektrisiert. Er kribbelte von der Kopfhaut bis zu den Zehen.
    Naomi fiel Jillian in die Arme. Ihre Cousine, elf Jahre älter als sie, war wie eine Schwester für Naomi. Auch jetzt, als Jill sie an sich drückte, spürte Naomi ihre »Reiterhosen«, die Fettpölsterchen im Hüft- und Pobereich, und ihre flachen Brüste, aber vor allen Dingen ihre Herzlichkeit. Der blaue Blazer und der Rock, der ihr bis zu den Knien reichte, waren wie alles, was sie trug, zu bieder, ihre blonden durchgestuften Haare waren zerzaust, als wäre sie in einen Sturm geraten. Wenn sie lachte, krauste sich ihre Nase, was Chad selbst noch mit seinen neunzehn Jahren dazu veranlasste, sie damit aufzuziehen, sie sei in Wahrheit das uneheliche Kind von Bill und einer Bajoranerin. Jill hatte nicht einmal gewusst, was das war, bis ihr Bruder ihr alte Deep-Space-Nine -Folgen gezeigt hatte.
    Von ihrem Schwager Jefferson bekam Naomi nur ein Luftküsschen rechts und links, um zu verhindern, dass sein Make-up, mit dem er die Narbe abdeckte, abfärbte. Ein Nachbarsjunge hatte ihn als Kind vom Fahrrad gestoßen, und Jeff war unglücklich auf einem spitzen Stein gelandet, der ihm die Wange aufriss. Er

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