Der Gebieter
litt unter diesem Makel. Als müsste er deshalb noch mehr für sein Aussehen tun als andere Männer, zupfte er sich die Augenbrauen und ging regelmäßig zur Maniküre. Jedes seiner kurzen braunen Haare saß auf dem Kopf wie gemeißelt. Der Kontrast zu Jillian fiel Naomi jedes Mal aufs Neue ins Auge. Am Anfang hatte sie sich gefragt, was die beiden verband. Inzwischen ahnte sie, dass Jeff gerne so locker und natürlich wie seine Frau wäre. Er bewunderte sie, was Jill guttat, denn sie war keine Schönheit, strahlte aber solch eine Herzenswärme aus, dass man sie einfach gern haben musste.
»Darf ich dir Malcolm Seaton vorstellen?« Jeff trat beiseite. »Er ist unser neuer Vertriebsleiter.«
»Nur für den Osten der USA. Es freut mich, Sie kennenzulernen.« Er hatte den typischen Akzent mit britischer Färbung, wie man ihn in Amerika nur in Boston hörte.
»Naomi Coffin.« Sein Händedruck war fest und ehrlich. Er lächelte wie alle Vertreter, wirkte dabei jedoch nicht gekünstelt, nahm Naomi wohlwollend zur Kenntnis. Seine Zähne waren weiß wie Schnee und seine Haut schwarz wie Ebenholz, allerdings waren seine Lippen nicht rot wie Blut, sondern von einem außergewöhnlichen Zimtbraun.
Rosamar tischte mit Lizzy das Essen auf, und alle nahmen an der Tafel Platz. Samuel setzte sich ausgerechnet gegenüber von Naomi. Er hatte etwas von der Fensterbank genommen und legte es nun neben sein Gedeck. Es war in azurblauem Geschenkpapier eingepackt, hatte Taschenbuchgröße und machte Naomi nervös. Sie starrte das Präsent an, als käme es vom Mars. In ihrer Erinnerung ging sie die Bücher durch, die auf Sams Küchentisch gelegen hatten, und nur die Ratgeber waren so klein gewesen wie das Buch, das verpackt vor ihm lag. Ihr Hals war trocken, und sie nahm einen großen Schluck Merlot. Der pflaumige Geschmack rann köstlich ihre Kehle hinab.
Chad, der neben Samuel saß, neigte sich zu ihm und stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Suchst du jemanden? Wenn ja, dann findet Naomi ihn garantiert. Sie spürt jeden auf.«
»Das glaube ich aufs Wort.« Mit verklärtem Blick schwenkte Sam sein Weinglas. »Dabei graben Sie bestimmt auch in der Intimsphäre von Fremden herum und stoßen auf so manches Geheimnis. Unter Umständen kann das gefährlich sein.«
»Ich suche Erben im Auftrag des Gerichts.« Naomi verstand seine Anspielung und schaute besorgt auf das Geschenk zu seiner Rechten. Als er es ihr über den Tisch zuschob, beschleunigte sich ihr Puls.
»Für Sie«, seine Fingerspitzen streichelten über das azurblaue Papier, »weil Sie so interessiert an meiner Lektüre gewesen waren, als Sie mich heute Nachmittag besuchten.«
Empört schnappte Naomi nach Luft. Erstens hatte sie ihn nicht besucht, sondern hatte gar nicht gewusst, dass er im Gästehaus wohnte, und zweitens hatte sie mit der Art von Lust, die er präferierte, nichts am Hut. Damit niemand nachhakte, nahm sie das Buch rasch an sich und setzte sich mit dem linken Oberschenkel darauf. Ihr Bein fing an zu kribbeln und infizierte ihre Spalte. Auf welchem Ratgeber sie wohl saß – Ekstase durch Unterwerfung oder Sklavenerziehung mit gefühlvoller Härte ? Herrje, sie erinnerte sich ja noch an die Titel. Sogar an jedes Detail auf den Covers. Das alles hatte sie mehr beeindruckt als sie zugeben wollte. Und Sam wusste das. Sie schickte ihm einen bitterbösen Blick, den er mit einem selbstgefälligen Lächeln kommentierte, das in Naomis Augen viel zu anziehend war.
Er sah mit seinen blonden Haaren und seinem sonnengebräunten Teint wie ein Weltenbummler aus. Ein Abenteurer auf der Suche nach einem Abenteuer. Das würde er nicht bei ihr finden!
Verzweifelt wehrte sie sich gegen ihr Interesse an ihm. Aber indem sie ständig an ihn dachte, hatte sie den Kampf bereits verloren.
Nach dem Dinner nahmen alle einen Aperitif an den zwei Stehtischen in der Ecke ein, so konnten Rosamar und Lizzy ungestört abräumen, und die Dinnerrunde konnte sich die Beine vertreten. Draußen war es inzwischen dunkel geworden.
Naomi, immer noch verärgert, drückte das Präsent fest an ihren Bauch, damit niemand der Gäste es neugierig näher in Augenschein nehmen konnte, und flüsterte Samuel heimlich zu: »Das werden Sie mir büßen.«
»Gewiss nicht. Ich bin immer derjenige, der bestraft.« Auffordernd schnipste er gegen das Geschenk. »Lesen Sie das Buch. Ich habe da so eine Ahnung, dass es Ihnen gefallen wird.«
»Der Inhalt interessiert mich nicht.«
»Das hat heute Nachmittag anders
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