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Der Gebirgspass

Der Gebirgspass

Titel: Der Gebirgspass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirill Bulytschow
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Sie steigt, wie ihr sehen könnt, leicht bis zu uns an, deshalb wußten wir erst, als wir hier anlangten, daß es wieder Hoffnung für uns gab. Damals herrschte ein heftiges

    Schneetreiben … ja, wer war seinerzeit eigentlich der erste? Ich glaube, Boris. Aber natürlich, es war Boris. Er eilte etwas voraus und blieb plötzlich stehen. Ich weiß noch genau, wie unvermittelt er innehielt, war aber zu erschöpft, um zu begreifen, weshalb er das tat. Als ich dann ankam, sagte er kein Wort. Er weinte, und sein Gesicht war ganz vereist. Die Sicht war an diesem Tag schlecht, doch mitunter lichtete sich der Schneeschleier für eine Minute, und wir begriffen, daß dort unten ein Tal lag, in dem Bäume wuchsen. Das aber bedeutete Leben …“
Wind ging, zum Glück nicht sehr stark, die Ziege tobte ausgelassen umher, freute sich an der Weite, vollführte, das zottige Hinterteil hochwerfend und tiefe dreieckige Spuren auf dem Schneelaken hinterlassend, große Sprünge. Sie blieb an einer braunen Stelle stehen und begann die gefrorene Erde mit dem Hornhöcker auf der Nase aufzureißen. Dabei seufzte sie und meckerte begehrlich — offenbar steckte etwas ungemein Schmackhaftes im Boden.
„Hier gibt’s kein Wild“, sagte Dick vorwurfsvoll zu Thomas, als sei der schuld.
„Wenn alles normal verläuft, sind wir in drei oder vier Tagen am Ziel“, erwiderte Thomas.
„Ich denke, ihr habt zwei Wochen gebraucht.“
„Ja, dreizehn Tage. Damals herrschte starker Frost, wir hatten viele Kranke und Verletzte bei uns, jetzt dagegen sind wir fast ohne Gepäck. Erstaunlich, wirklich … Als wär’s erst gestern — Boris und ich stehen hier an dieser Stelle und schaun hinunter ins Tal. Und wir begreifen, daß es Hoffnung gibt.“
Bis Einbruch der Dunkelheit brachten sie die Hochebene hinter sich und erreichten das Gebirgsvorland.
    In der Nacht wurde es kälter, fiel die Temperatur unter Null. Dick und Oleg schliefen außen, Marjana und Thomas in der Mitte. Thomas hatte sich im Laufe des Tages so verausgabt, daß er nicht mal protestierte. Er glühte, konnte aber dennoch nicht warm werden, und als er bald darauf von trockenem Husten geschüttelt wurde, nahm Oleg ihn in die Arme, versuchte ihm von seiner Wärme abzugeben. Marjana gab ihm eine Hustenmixtur zu trinken, die sie selbst gebraut hatte. Das Mädchen konnte nicht schlafen und unterhielt sich, um die Nacht zu verkürzen, flüsternd mit Oleg. Dick störte das, und er fauchte demonstrativ. Schließlich sagte er:
    „Morgen gibt’s keine Tagesrast, ist das klar?“ „Na und?“ erwiderte Oleg.
„Ich laß euch marschieren, und wenn ihr noch so
    pennen wollt.“
„Keine Bange“, sagte Oleg, „unsretwegen wird’s keine
Verzögerung geben.“
„Egal, wegen wem.“
Oleg widersprach nicht, obwohl er genau begriff, daß
Thomas gemeint war. Er dachte, der Kranke schliefe und
höre es nicht, doch das war nicht der Fall. Thomas sagte: „Ich glaube, ich habe eine Lungenentzündung.
Entschuldigt, Freunde, daß alles so dumm gekommen ist.“ Sie hatten das Zelt in einer großen Felsnische
aufgeschlagen, denn hier war es wärmer als auf offenem
Gelände. Die Ziege machte sich neben ihnen zu schaffen,
wühlte raschelnd im Boden.
„Was sucht sie bloß?“ flüsterte Marjana.
„Schnecken“, antwortete Oleg. „Ich hab gesehen, wie
sie eine gefunden hat.“
„Ich dachte, den Schnecken wär’s hier zu kalt.“ „Wir leben ja auch, folglich können’s andere genauso.“ „Hier gibt’s nicht das geringste“, knurrte Dick, „schlaft
jetzt.“
Thomas begann wieder zu husten, und Marjana gab ihm
erneut zu trinken. Man hörte seine Zähne gegen den
Becherrand schlagen.
„Du solltest doch lieber umkehren“, sagte Dick. „Zu spät“, erwiderte Thomas, „bis zur Siedlung schaffe
ich es nie.“
„Du bist ein Dummkopf, Dick“, sagte Marjana „hast
unsere Gesetze vergessen.“
„Ich habe gar nichts vergessen“, widersprach Dick laut.
„Ich weiß, daß wir uns um die Kranken kümmern müssen.
Ich weiß, was Pflicht bedeutet, weiß es nicht schlechter als
du. Andererseits ist mir immer wieder eingebleut worden:
Wenn wir’s diesmal nicht zum Paß schaffen, wenn wir
nicht Eisen und Instrumente herbeischleppen, kann es das Ende der Siedlung bedeuten. Das hab nicht ich mir ausgedacht. Ich glaub sowieso nicht, daß die Siedlung zu zugrunde geht. Wir leben auch ohne Eisen und ähnliche Dinge ausgezeichnet. Ich kann mit meiner Armbrust einen
Bären auf hundert Schritt Entfernung

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