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Der Gebirgspass

Der Gebirgspass

Titel: Der Gebirgspass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirill Bulytschow
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erlegen.“
„Kunststück“, sagte Oleg, „hast schließlich Eisenspitzen
auf den Pfeilen. Wenn Sergejew sie nicht geschmiedet
hätte, möcht ich dich den Bären mal erlegen sehn.“ „Ich kann solche Spitzen auch aus Stein herstellen. Es
geht nicht ums Material, sondern ums Geschick. Jetzt aber
scheucht man uns in diese Berge …“
„Niemand scheucht dich, du bist freiwillig
mitgegangen“, erwiderte Oleg.
„Also gut, freiwillig. Ich hab ja auch keine Angst, nur
ihr wißt selber — in ein paar Tagen gibt’s Schnee, und
wenn wir uns weiterhin so langsam bewegen, kommen wir
nie über den Paß. Möglicherweise auch nie wieder zurück.
Das aber wäre ausgesprochen dumm.“
„Was also schlägst du vor?“ fragte Oleg. Weder
Thomas noch Marjana mischten sich in ihren Streit ein,
hörten nur aufmerksam zu. Oleg kam es so vor, als sei
sogar die Ziege still geworden, um zu lauschen.
„Ich schlage vor, daß Marjaschka und Thomas
hierbleiben. Wir geben ihnen Decken und Nahrung, lassen
ihnen alles da, wir beide aber laufen ohne jedes Gepäck
zum Paß.“
Oleg gab keine Antwort. Er begriff, daß sie Thomas unter keinen Umständen zurücklassen durften. Sie durften ihm sein Ziel nicht nehmen, das würde ihn töten … Wenn Dick nun aber dachte, er, Oleg, hätte Angst, mit ihm allein
weiterzugehn?
„Hast wohl Angst gekriegt?“ fragte Dick.
„Nicht um mich“, erwiderte schließlich Oleg. „Wenn
Thomas krank ist, kann er Marjana nicht beschützen. Und
Marjana ihn ebensowenig. Was aber ist, wenn Tiere
kommen? Raubtiere? Wie soll sie mit ihnen fertig
werden?“
„Du wirst doch mit ihnen fertig, Marjaschka?!“ Dick
fragte nicht, er befahl, als hätte er das Recht, Befehle zu
erteilen.
„Ich schaffe es schon“, sagte Thomas, „habt keine
Angst, Freunde, ich schaffe es. Ich muß einfach … ich geh
doch seit sechzehn Jahren zum Paß, versteht ihr, seit
sechzehn Jahren …“
Thomas sprach hastig, mit heißer Stimme, wie unter
Tränen.
„Dann schlaf jetzt“, sagte Dick nach einer längeren
Pause, in der niemand sprach, niemand ihm zustimmte
oder ihn vom Gegenteil überzeugte.
Am nächsten Morgen aber fand die Auseinandersetzung
ganz von allein ein Ende. Aus einem einfachen Grund.
Oleg stand als erster auf: mit schmerzendem Kopf und
Beinen wie aus Holz; sein Rücken war eiskalt bis hin zur
Wirbelsäule. Er kroch aus der Nische und entdeckte auf der weißen Fläche des Hochplateaus eine Reihe von Vertiefungen, die er nicht sofort als Fährte erkannte. Es sah
aus, als hätte jemand große Fässer in den Schnee gedrückt. Oleg weckte Dick, und sie verfolgten vorsichtig die
Spuren. Die Fährte endete an einem Steilhang — das
unbekannte Wesen konnte demnach Felsen erklimmen. „Was ist das für ein Tier?“ fragte Oleg flüsternd. „Keine Ahnung. Aber wenn es sich auf ein Haus legt,
wird’s zerquetscht“, sagte Dick. „So ein Vieh zu erlegen,
das wär was!“
„Da gibt’s wohl wenig Hoffnung, trotz deiner
Armbrust“, wandte Oleg ein. „Dein Pfeil durchbohrt ihm
nicht mal das Fell.“
„Ich werd mir schon Mühe geben“, sagte Dick. „Gehen
wir zurück?“
„Weißt du, ich möchte Thomas und Marjaschka
wirklich nicht gern hier lassen“, sagte Oleg.
„Ich bestehe nicht darauf“, sagte Dick, „obwohl sich’s
bei diesem Tier durchaus um einen Pflanzenfresser handeln
kann.“
„Selbst wenn’s ein Wandergewächs wie der Wegerich
wäre“, erwiderte Oleg, „wir dürfen kein Risiko eingehn.“ „Wo habt ihr gesteckt?“ erkundigte sich Marjana, die
beim Feuermachen war. „Thomas’ Temperatur ist
zurückgegangen, ist das nicht schön?“
„Sehr schön.“
Sie erzählten von der Fährte, denn das Mädchen hätte sie ohnehin entdeckt. Doch Marjana erschrak kein bißchen — klar, daß es hier alle möglichen Tiere gab! Wenn man richtig mit ihnen umging, waren sie längst nicht alle böse und gefährlich. Außerdem beschäftigte sie sich mit ihren
eigenen Angelegenheiten.
„Setzt euch“, sagte Marjana, „wir wollen frühstücken.“ Thomas kam aus dem Zelt, er war blaß und schwach, in
der Hand hielt er die Feldflasche. Er ließ sich neben Oleg
nieder, schraubte den Verschluß ab und nahm einen
Schluck.
„Ich muß mich aufwärmen“, sagte er heiser. „Früher
haben die Ärzte den Kranken und Schwachen Rotwein
verschrieben.“
Marjana langte nach ihrem Sack — ein Pilz rollte
heraus. Sonst aber war er zerbissen und leer.
„Wo sind denn die Pilze hin?“ fragte Marjana Thomas,
als müßte er eine

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