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Der geduldige Tod (German Edition)

Der geduldige Tod (German Edition)

Titel: Der geduldige Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helke Böttger
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fahren kein Fahrzeug und stellen eine Gefahr für Ihre Mitmenschen dar.« Wieder dieser anklagende, raue Ton.
    »Sie hat nichts getan«, mischte sich Francisco ein. »Lassen Sie sie in Ruhe.«
    Doch die Polizistin würdigte ihn keines Blickes.
    »Ich stelle ganz bestimmt keine Gefahr dar. Ich gehe kaum aus dem Haus«, erwiderte Victoria.
    »Warum nicht?«
    »Weil ich…« Victoria stockte erneut. »Weil ich ein Erlebnis verarbeiten muss, das mir passiert ist.«
    »Was war das?«
    »Bitte, lassen Sie das«, funkte Francisco erneut dazwischen. »Wenn Sie etwas getan oder gesehen hat, was illegal war, können Sie ihr Fragen stellen, aber das hat sie nicht. Ihr ist einfach nur schwindelig geworden. Also lassen Sie sie bitte in Ruhe.«
    »Was ist Ihnen denn passiert?« Die Polizistin ließ nicht locker.
    Doch Victoria hatte genug von der unfreundlichen Frau. Auf einmal konnte sie die Abneigung ihrer Vermieterin verstehen. Dieser unwirschen Kommissarin mit dem misstrauischen und beschuldigenden Ton in der Stimme wollte sie nichts von der »Katastrophe« erzählen. »Wollen Sie sonst noch etwas von mir?«, fragte sie. »Es geht mir gut. Wirklich. Vielen Dank für Ihre Sorge.«
    Francisco stand unterstützend neben ihr.
    Die Polizistin schien einzusehen, dass sie nichts erreichen würde und wandte sich zur Tür. »Es kommen sehr viele Leute zu uns auf die Insel, die sich vor etwas verstecken oder fliehen. Die Dörfer und Städte sind voll von ihnen. Wenn das auch bei Ihnen der Fall ist, finde ich es heraus. Ihre Geheimnisse werden hier niemandem schaden.«
    Victoria schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht vor, jemandem zu schaden.«
    Doch die Frau reagierte nicht darauf. Sie ging ohne Abschied zur Tür hinaus und verschwand im Treppenhaus.
    Francisco nahm Victoria in die Arme und versuchte, sie zu trösten. »Sie macht nur ihren Job. Wer weiß, welchem Druck sie ausgesetzt ist.«
    Er hatte vermutlich Recht. »Sie hat bestimmt keine Lust, ständig irgendwelche Touristen davor zu bewahren, ins Unglück zu rennen oder Unsinn anzustellen. Ich werde sie bestimmt nicht wiedersehen.«
    »Bestimmt nicht.«
    Francisco blieb noch zum Frühstück, danach verabschiedete er sich.
    Als Victoria ins Schlafzimmer ging, um das Bett zu machen, fiel ihr Blick auf ihren Nachtischschrank. Die Schublade stand leicht offen. Sie konnte sich nicht erinnern, das Fach in den vergangenen Tagen geöffnet zu haben. Darin lagen wertvolle Dokumente, unter anderem ihr Reisepass und ein paar Briefe von ihren Eltern, Dinge, die sie nicht täglich brauchte. In der Nacht war sie zu müde und verstört gewesen, um auf das Fach zu achten. Sie ging zu dem Schränkchen und schob die Schublade auf. Es lag alles noch drin, nichts fehlte. Erleichtert schloss sie das Fach.
     
    Kriminalkommissarin Lucia Hernandez stand schon am Nachmittag erneut vor Victorias Tür. Dieses Mal blickte sie noch ungehaltener drein.
    »Was ist?«, fragte Victoria irritiert.
    Die Frau hielt einen Beutel mit einem hellblauen Stoff darin nach oben. »Kennen Sie das?«
    Victoria schüttelte den Kopf. »Nein, keine Ahnung. Was soll das sein?«
    »Das ist Ihr Badeanzug.«
    »Was? Das kann nicht sein. Meiner hängt unten auf der Leine.« Victoria lief zum Fenster, um auf das Seil neben dem Pool zu zeigen, das als Wäscheleine diente, doch es war leer. Auch ihr Höschen und der BH, die sie gewaschen und zum Trocknen aufgehängt hatte, fehlten.
    »Woher haben Sie den?«, fragte sie verwundert.
    »Er hing zusammen mit Ihrer Unterwäsche am Fischmarkt auf dem Mast eines Kutters. Können Sie mir erklären, wie ihre Sachen dorthin kamen?«
    »Nein!« Victoria war sprachlos. »Ich habe keine Ahnung.«
    »Was haben Sie gestern Abend gemacht?«
    »Ich war hier und habe geschlafen, dann etwas gegessen und dann bin ich ins Bett.«
    »Allein?«
    »Nein.« Sie errötete leicht.
    Das Gesicht der Polizistin verzog sich. Das Stirnrunzeln kehrte zurück, dieses Mal noch tiefer.
    »Wovor fliehen Sie?«
    »Vor nichts. Ich bin keine Verbrecherin, wenn Sie das denken. Ich habe nichts getan. Sie können sich gerne erkundigen.«
    »Was ist es dann? Warum gehen Sie nicht aus dem Haus? Was treiben Sie den ganzen Tag? Und warum fallen Sie in Ohnmacht, wenn wir eine Leiche am Strand finden? Wissen Sie etwas darüber?«
    »Nein, ich weiß nichts!« Victoria wehrte entsetzt ab. Sie konnte fühlen, wie ihr Herz wieder heftiger schlug. »Ich habe keine Ahnung, was passiert ist. Haben Fische ihre Füße gefressen?«
    »Nein.

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