Der geduldige Tod (German Edition)
sagen, worauf sie achten müssen.«
»Das ist Quatsch, Francisco. Es ist ein anderer Kerl. Mein Mörder sitzt im Gefängnis. Ich weiß gar nichts über den hier auf der Insel.«
»Aber er kennt offensichtlich deinen Killer, wenn er auf seinen Spuren wandelt und ihn kopiert. Du könntest zumindest sagen, was ihn unterscheidet, wo er Fehler oder absichtliche Unterschiede macht. Bitte, Victoria!«
Sie dachte einen Moment nach, doch dann schüttelte sie vehement den Kopf. »Ich will mich damit nicht mehr befassen, nie wieder. Ich möchte keine Albträume mehr haben, keine Panikattacken an jeder Ecke, keine weiteren Fotos von toten Frauen vor meinem geistigen Auge sehen. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich dir wirklich trauen kann. Du bist so hartnäckig in mein Leben getreten, und kaum lass ich mich auf dich ein, beginnen die Morde. Mein Pass verschwindet, während du bei mir bist, die Polizei verhaftet dich. Ich weiß überhaupt nicht, was ich von dir halten soll. Es tut mir leid, Francisco, aber ich bin momentan mit meiner Kraft und meinem Vertrauen am Ende.«
Er wich zurück und verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln. »Du glaubst mir wirklich nicht. Bedeute ich dir so wenig?«
»Nein, du bedeutest mir sehr viel«, widersprach sie. »Aber ich bin noch nicht soweit, mich dem Grauen zu stellen und vorbehaltlos zu vertrauen. Und ich habe keine Ahnung, ob ich jemals wieder in der Lage dazu sein werde. Ich bin ein Krüppel, Francisco. Bitte verlang nichts von mir, was mich noch schlimmer verletzen würde. Bitte geh jetzt.«
Fassungslos beobachtete er, wie sie tief Luft holte, um sich Mut zu machen. Es fiel ihr nicht leicht, ihn davonzujagen. Doch sie blieb hart.
Er ging zur Tür. »Vielleicht überlegst du es dir noch.«
»Vielleicht.«
Als der Teekessel in der Küche pfiff, war Francisco hinausgegangen und hatte die Tür hinter sich zugezogen.
Der Duft der Frauen
Der grausame Tod der drei Frauen zog weitere Kreise, als sich Victoria vorstellen konnte. Im Dorf fanden inoffizielle Treffen statt, in denen die Männer beschlossen, sich zu bewaffnen und eine Art Bürgergarde zu gründen. Jede Nacht blieben abwechselnd Ehemänner wach und patrouillierten durch den Ort. Verdächtige Personen wurden auf der Straße angesprochen und nach ihren Vorhaben gefragt. Viele Frauen und Mädchen blieben zu Hause, öffneten die Tür nur für Verwandte und Freunde oder nicht einmal das.
Als Francisco entlassen wurde, bestürmten ihn viele Menschen mit Fragen. Er antwortete ihnen auch, doch der Wahrheitsgehalt seiner Aussagen wurde offensichtlich stark bezweifelt. Der junge Mann fand keine Ruhe mehr. Auf dem Markt wurde er gemieden oder mit misstrauischen Worten bedacht. Die Reifen seines Wagens fand er am Morgen zerstochen vor. Jemand hatte in knallroter Farbe »Killer« an die Mauer seines Grundstücks gesprüht. Und als er die Straße hinunterlief, warfen Frauen Steine nach ihm.
Victoria wusste von alldem nichts. Und sie war insgeheim froh darüber, dass er nicht mehr zu ihr kam, sie nicht anrief.
Sie zuckte zwar zusammen, als sie am nächsten Abend mitbekam, wie Señora Rodriguez erneut Besuch von den drei Männern mit den Schlagstöcken erhielt, aber sie verschloss die Augen vor dem, was das bedeuten mochte. Wem der Besuch der Schläger gelten konnte. Sie verkroch sich in ihre Wohnung, las Reiseführer über Länder, in denen es mit Sicherheit keine kaltblütigen Mörder gab und in die sie vielleicht als nächstes fliehen konnte. Und sie hoffte, dass dieser Albtraum so schnell wie möglich ein gutes Ende finden würde.
Erst am nächsten Morgen, als es an ihrer Tür klopfte, wurde sie wieder mit der Realität konfrontiert.
Lucia Hernandez stand davor. Sie hatte eine dicke Aktentasche dabei, die sie auf Victorias Tisch knallte. Dazu legte sie ein kleines Päckchen, auf dem Victorias Name stand.
»Das lag vor Ihrer Tür. Es ist von Francisco.«
In der Ecke war sein Name als Absender gekritzelt, daneben die Adresse.
Victoria legte das Päckchen beiseite. »Was wollen Sie?«
»Ich brauche noch ein paar Details von Ihnen«, erwiderte die Kommissarin.
»Ich habe Ihnen alles gesagt.«
»Nein, das haben Sie nicht. Ich habe mit der Polizei in Deutschland gesprochen, die mir Fotos von den damaligen Opfern und Tatorten zugesandt hat. Es gibt Unterschiede, die in meinen Augen sehr gravierend sind. Zum Beispiel das hier.«
Sie holte aus der Aktentasche einen Packen Fotos, die sie auf den Tisch legte. Darin
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