Der Geek-Atlas (German Edition)
aber er beobachtete, dass sich die Charakteristika von Pflanzen und Tieren von einer Generation zur nächsten veränderten,
und dass die selektive Kreuzung durch den Menschen zu einer großen Vielzahl von Pflanzen und Tieren mit unterschiedlichen
Charakteristika geführt hatte.
Heute bezeichnen wir die Charakteristika eines Organismus als Phänotyp. Damit ist alles gemeint, was sich an einem Organismus
beobachten lässt, einschließlich seiner Morphologie, seiner biologischen Eigenschaften und seiner Verhaltensweisen. Darwin
kam zu dem Schluss, dass es wünschenswerte Änderungen des Phänotyps gebe, die die Wahrscheinlichkeit erhöhten, dass ein Organismus
überlebt.
In On the Origin of Species by Means of Natural Selection schreibt Darwin:
Owing to this struggle for life, any variation, however slight and from whatever cause proceeding, if it be in any degree
profitable to an individual of any species, in its infinitely complex relations to other organic beings and to external nature,
will tend to the preservation of that individual, and will generally be inherited by its offspring.... I have called this
principle, by which each slight variation, if useful, is preserved, by the term of Natural Selection, in order to mark its
relation to man’s power of selection.
Seine Theorie besteht aus drei grundlegenden Aussagen: Nachkommen können Variationen aufweisen, die vorteilhaft sein können,
oder auch nicht. Eigenschaften können durch die Eltern an den Nachwuchs vererbt werden. Der Kampf um beschränkte Ressourcen
(wie Futter) führt zu einem Kampf zwischen Individuen.
Außerdem schlussfolgerte er, dass dieser Prozess der natürlichen Selektion zu unterschiedlichen Arten führe. 1837 skizzierte
Darwin in einem Notizbuch seine ersten Gedanken zum Stammbaum des Lebens ( Abbildung 43.2 ). Die Skizze zeigt aufeinanderfolgende Generationen, die nützliche Eigenschaften von ihren Eltern erben, aber auch leichte
Variationen aufweisen, die unter Konkurrenzdruck entstanden sind und die schließlich zu einer neuen Spezies führen.
Abbildung 43.2 Darwins Stammbaum des Lebens
Darwin begann diese bahnbrechende Zeichnung mit den einfachen Worten»I think« (»ich denke«). Dies war die vielleicht größte
Untertreibung aller Zeiten.
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Kapitel 44. Edward Jenner Museum, Berkeley, England
51° 41′ 24.96″ N, 2° 27′ 26.68″ W
Von der Variolation zur Vakzination
Vor Edward Jenners Erfindung der Vakzination waren die Pocken für den Tod von jährlich etwa 10% der europäischen Bevölkerung
verantwortlich. Diejenigen, die überlebten, waren häufig blind oder schwer vernarbt. Die einzig praktikable Lösung zur Vermeidung
einer Pockeninfektion war die sogenannte Variolation – die gezielte Infektion einer Person mit einer (hoffentlich) milderen
Form der Pocken.
Die Variolation wurde im Fernen Osten seit spätestens 1000 nach Christus und später dann auch im Mittleren Osten angewendet.
In England wurde sie 1721 von Lady Mary Wortley Montague eingeführt. Sie war die Ehefrau des britischen Botschafters in der
Türkei und hatte dort den Einsatz der Variolation gesehen.
Bei der Variolation eines Patienten wurden getrocknete Pocken-Pusteln einer milden Pustel-Form entweder in die Nase des Patienten
geblasen oder in einen kleinen Schnitt in seiner Hand eingebracht. Pocken werden durch einen Virus verursacht, der in zwei
Formen vorkommt: Variola major und Variola minor. Wird ein Patient mit einem dieser Viren infiziert, wird er gegen die andere
Form immun. Man hoffte, mit Variola minor, die eine wesentlich niedrigere Todesrate als Variola major aufweist, eine milde
Form der Pocken auf diese Weise nutzen zu können. Leider gab es zu jener Zeit keine Möglichkeit, die beiden zu unterscheiden.
Die Variolation tötete etwa 2% der Patienten, schützte aber etwa 80%, sobald diese sich erholt hatten. In Anbetracht der hohen
Sterblichkeitsrate durch Pocken (etwa 30%) riskierten viele Leute die Variolation.
Edward Jenner war Arzt und Wissenschaftler, der in der kleinen Stadt Berkeley lebte. Er beobachtete, dass Melkerinnen sich
häufig über die von ihnen gemolkenen Kühe mit Kuhpocken ansteckten und keine Pocken bekamen. Kuhpocken führen bei Menschen
zu Blasen auf der Haut und lösen im Immunsystem eine Reaktion aus, die vor dem ähnlichen Pockenvirus schützt.
Jenner vermutete, dass es eine Verbindung zwischen Kuhpocken und Pockenimmunität gebe. 1796 infizierte er
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