Der gefaehrliche Verehrer
sah auf die Uhr und setzte sich auf eine Bank nahe den Türen der Intensivstation. Es war fast Zeit für ihren stündlichen Besuch.
Während sie darauf wartete, eingelassen zu werden, eilten drei Personen den Korridor entlang. Der Mann war groß, hatte dichte graue Haare und ein hageres Gesicht. Neben ihm ging eine Frau, die blonden Haare zerzaust, das Kostüm zerknittert. Neben ihnen ging noch eine Frau. Die Tochter, dachte Cilla. Sie hatte die Statur ihres Vaters und das Gesicht ihrer Mutter.
Panik stand in ihren Augen. Trotz ihrer Müdigkeit erkannte Cilla die Panik. Schöne Augen. Dunkelgrün, genau wie … Boyds Augen.
»Boyd Fletcher«, sagte die junge Frau zu der Schwester. »Wir sind seine Familie. Man hat uns gesagt, wir könnten ihn sehen.«
Die Schwester sah auf ihrer Liste nach. »Ich führe Sie zu ihm. Nur zwei gleichzeitig, bitte.«
»Geht ihr.« Boyds Schwester wandte sich an ihre Eltern. »Ich warte hier.«
Cilla wollte etwas sagen, doch als sich die Frau an das andere Ende der Bank setzte, konnte sie nur dasitzen und ihre Hände ineinander verschlingen.
Zehn Minuten später kamen die Fletchers wieder heraus. Der Ausdruck von Anspannung zeigte sich in den Augen der Frau, aber sie waren trocken. Ihre Hand umklammerte die ihres Mannes.
»Natalie.« Sie berührte die Schulter ihrer Tochter. »Er ist wach. Benommen, aber wach. Er hat uns erkannt.« Sie lächelte ihrem Mann zu. »Er wollte wissen, was zum Teufel wir hier machen, wenn wir eigentlich in Paris sein sollten.« Jetzt füllten sich ihre Augen mit Tränen, und sie tastete ungeduldig nach einem Taschentuch. »Der Arzt kümmert sich gerade um ihn, aber du kannst ihn in ein paar Minuten sehen.«
Natalie schlang einen Arm um die Taille ihrer Mutter, den anderen um ihren Vater.
Ihre Mutter steckte das Taschentuch wieder weg. »Als er zu sich kam, fragte er nach einer gewissen Cilla. Das ist nicht der Name seiner Partnerin. Ich glaube nicht, dass wir eine Cilla kennen.«
Obwohl ihre Beine sich in Gelee verwandelt hatten, stand Cilla auf. »Ich bin Cilla.« Drei Augenpaare richteten sich auf sie. »Es tut mir leid«, brachte sie hervor. »Boyd wurde … er wurde verletzt, weil … er mich beschützt hat.«
»Entschuldigung.« Die Schwester stand wieder in der Doppeltür. »Detective Fletcher besteht darauf, Sie zu sehen, Miss O’Roarke. Er wird unruhig.«
»Ich komme mit.« Die Führung übernehmend, steuerte Natalie Cilla durch die Türen.
Boyds Augen waren wieder geschlossen, aber er schlief nicht. Er öffnete sie, als Cilla seine Hand berührte.
»Hi, Schlaumeier.« Sie zwang sich zum Lächeln. »Wie geht’s?«
»Du bist in Ordnung?« Er war nicht sicher gewesen. Seine letzte klare Erinnerung war, wie Billy das Messer hielt und Cilla mit ihm kämpfte.
»Es geht mir gut.« Sie versteckte ihre bandagierte Hand hinter dem Rücken. »Du bist derjenige, der an Maschinen hängt.« Obwohl ihre Stimme energisch klang, streichelte ihre Hand unendlich zärtlich über seine Wange. »Du hast schon besser ausgesehen, Fletcher.«
Er verschlang seine Finger mit ihren. »Ich habe mich auch schon besser gefühlt.«
»Du hast mir das Leben gerettet.« Sie kämpfte darum, ihren Ton leicht zu halten. »Ich schulde dir etwas.«
»Verdammt richtig.« Er wollte sie berühren, aber seine Arme fühlten sich wie Blei an. »Wann wirst du deine Schuld begleichen?«
»Darüber sprechen wir, wenn du wieder auf den Beinen bist. Deine Schwester ist hier.« Sie blickte über das Bett hinweg auf Natalie.
Natalie beugte sich runter und drückte einen Kuss auf seine Stirn. »Du Trottel.«
»Ich freue mich auch, dich wiederzusehen.«
»Du konntest wohl nicht einfach ein erfolgreicher Businessfuzzi werden, was?«
»Nein.« Er lächelte und sackte fast wieder weg. »Aber du gibst einen großartigen Fuzzi ab. Sorge dafür, dass du ihnen keine Sorgen machst.«
Natalie seufzte ein wenig, als sie an ihre Eltern dachte. »Du verlangst ja fast gar nichts.«
»Es geht mir gut. Sag ihnen das immer wieder. Du hast Cilla schon kennengelernt?«
Natalie hob prüfend den Kopf. »Ja, wir haben uns kennengelernt. Gerade eben.«
»Schaff sie verdammt noch mal hier raus!«
Natalie sah Schock und Schmerz in Cillas Augen.
»Sie braucht mich nicht rauszuschaffen.« Mit ihrem letzten Rest an Stolz hob Cilla das Kinn. »Wenn du mich nicht hier haben willst, werde ich …«
»Sei nicht albern.« Boyd sagte es mit dieser sanften, leicht irritierten Stimme, bei deren Klang Cilla
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