Der Gefährte des Wolfes: Tristan (German Edition)
Abscheu zeigte. Benjamin hatte von der beruhigenden Macht gehört, die der Gefährte eines Wolfs auf diesen ausüben konnte, doch selbst erlebt hatte er es noch nie.
Eine einzige Berührung und ein leises Wort genügten und Tristan hatte mehr Kontrolle über den Wolf, als Benjamin nach über dreißig Jahren. Er würde Zeit brauchen, um über diese unerwartete Entwicklung nachzudenken, aber zunächst musste er sie beide an einen sicheren Ort bringen.
»Ich muss gehen«, entschuldigte er sich und hob die Hand, um einen kleinen Schmutzfleck von Tristans Wange zu wischen.
Die Ruhe in Tristans Gesicht wandelte sich zu Angst. »Verlass mich nicht«, sagte er, während sich seine Finger in die Wolle von Benjamins Jackett krallten.
Unfähig sich davon abzuhalten, strichen Benjamins Finger erst über Tristans Wange und glitten dann weiter in die seidigen Locken in seinem Nacken hinein, ehe er seine Stirn an Tristans legte.
»Wir müssen aus der Stadt raus«, präzisierte er. Er wusste, dass er Tristan nicht mehr hier zurücklassen konnte, selbst wenn er gewollt hätte.
Einsichtig nickte Tristan. Dann gingen die beiden Männer eilig den Weg zurück, den sie gekommen waren. Im Gehen zog Benjamin sein Handy aus der Tasche und bestellte einen Wagen, der vor seinem Haus auf sie warten würde. Per Kurzwahltaste hatte er anschließend Conrad in der Leitung.
»Wir sind unterwegs zum Landhaus. Ich möchte, dass Sie alles Nötige veranlassen und uns dann dort treffen.«
Tristan hörte nur mit halbem Ohr zu, wie Benjamin ihre Abreise vorbereitete. In Gedanken war er noch immer damit beschäftigt, die Vorfälle der letzten halben Stunde zu verarbeiten. Er hatte Benjamins Wolf besänftigt. Nur ein an den Wolf gebundener Gefährte sollte in der Lage sein, so etwas zu tun.
Als sie Benjamins Wohngebäude erreichten, stand bereits eine schwarz glänzende Limousine mit getönten Scheiben in der Einfahrt. Der Fahrer sprang beflissen aus dem Wagen, überrascht, dass Benjamin die Straße entlang kam anstatt aus der Vordertür des Gebäudes.
Benjamin glitt auf den Sitz im hinteren Teil des Wagens, gefolgt von Tristan. Zwei lange, teuer wirkende Lederbänke waren hier einander gegenüber angebracht. Zögernd blickte Tristan einen Augenblick auf die leere Bank, ehe er dem dringenden Wunsch, Benjamin nahe zu sein, nachgab und sich neben ihm niederließ. Dabei wurde ihm bewusst, dass sie den Körperkontakt seit dem Angriff nicht unterbrochen hatten. Sie waren so dicht nebeneinander gelaufen, dass sich ihre Schultern, Hände und Arme bei jeder Bewegung berührt hatten.
Benjamin war überrascht, aber glücklich, als Tristan sich neben ihn setzte, auch wenn er dabei dem Drang widerstehen musste, seinen Arm um Tristans Schultern zu legen und ihn an sich zu ziehen.
Mit am schwersten im Leben eines Wolfs ohne Rudel war die fehlende körperliche Nähe. Wölfe nutzten Berührungen, um so viel mehr als nur Sex auszudrücken: Geborgenheit, Identifikation mit dem Rudel, Unterstützung und Sicherheit.
Nachdem er sein Gespräch mit Conrad beendet hatte, klappte Benjamin das Handy zu und warf es nachlässig auf den gegenüberliegenden Sitz. Mit hängenden Schultern sank er in die gepolsterte Sitzecke zurück und stieß einen langen Seufzer aus. Er musste sich bei Tristan entschuldigen, hatte aber keine Ahnung, wie er damit anfangen sollte.
»War Conrad böse, dass wir so schnell weg mussten?«, wollte Tristan wissen, der Benjamins Frustration spürte.
Benjamin öffnete die Augen. »Was? Ach so. Nein, er wollte nur eine Erklärung, was ich mit alles Nötige meine.« Als Tristan ihm einen irritierten Blick zuwarf, wurde er etwas deutlicher. »Er wollte wissen, ob ich jemanden angegriffen habe und ob die Polizei verständigt werden muss.«
»Oh«, stellte Tristan wenig geistreich fest. Sie waren nah an einem solchen Angriff dran gewesen. »Hast du jemals... weiß die Polizei, dass du...?«
Benjamin atmete tief durch. Er wusste, dass er die Wahrheit sagen musste, fürchtete aber gleichzeitig, Tristan damit zu verschrecken. Inzwischen wollte er nicht mehr wirklich, dass Tristan seine Sachen packte und ihn allein ließ.
»Als ich noch jünger war, hatte ich nur sehr wenig Kontrolle über den Wolf, wenn ich mich verwandelt habe. Wenn der Vollmond näher rückte, traf ich immer Vorbereitungen, aber starke Wut oder Lust konnten eine unerwartete Verwandlung heraufbeschwören. Ich habe mehrere Menschen verletzt, aber bisher nur einen einzigen getötet, und
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