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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bettkante. »Ich muß mit Ihnen sprechen, bevor Saada kommt.«
    »Also doch etwas Schlechtes.« Achmed seufzte. »Erst nehmen Sie mir mein Kind, dann lassen Sir mir den halben Magen wegoperieren … nur Unangenehmes.«
    »Das letztere hat Ihnen das Leben gerettet, Ali.«
    »Aber das andere hat mich zu einem Greis gemacht.«
    »Ich – ich bedaure es jetzt …«, sagte Bender stockend. Achmed schob sich im Bett hoch. Seine Hände kratzten über die Bettdecke.
    »Was soll das heißen?« fragte er. »Doktor!« Er packte Bender mit einer ungeahnten Kraft an den Schultern und schüttelte ihn. »Doktor! Machen Sie mich nicht zu einer Hyäne! In den Tagen, die ich hier mit einem halben Magen liege, hatte ich Zeit genug, an die Zukunft zu denken. Nun gut, habe ich mir gesagt, Allah hat es vorbestimmt, daß mein einziges Kind einen Weißen heiratet. Gehorche Allah, Ali, und finde dich damit ab. Die Wüste wird dadurch nicht anders werden, und wenn sie sich lieben, können sie sogar glücklich werden. Und ein Hakim ist er auch. In ein paar Jahren wird man nicht mehr sehen, daß er ein Weißer ist … die Wüste wird ihn aufgesaugt haben, und er wird so sein wie wir. Von da ab konnte ich wieder schlafen.«
    Bender nickte. Er vermied es, Ali anzusehen. Wie furchtbar ist das, dachte er. Wie ausweglos, wenn man nicht den Mut hat, hart gegen sich selbst und gegen die Umwelt zu sein. Aber kann ich das? Ich liebe Saada, und ich liebe – bei Gott, ich gestehe es –, ich liebe auch Cathérine. Nicht, weil ich eine moralische Verpflichtung habe, nicht, weil sie ein wunderbarer Mensch ist, trotz ihrer Härte, die nur gespielt ist, trotz der umgeschnallten Pistole, hinter der sie ihr sehnsuchtsvolles Herz schützt, trotz ihrer Rauheit, die nur ein widerlicher Pelz über einer zitternden Zartheit ist. Ja, und ich liebe Saada, weil sie wie ein Märchen ist, ein Zauberwesen, das mich verwandelte, ein Stern, den ich vom Himmel holen konnte. Sie ist wie die Wärme der Wüste und die Kühle der Nacht, sie ist ein Wunder.
    Aber kann man ein Leben lang mit Wundern leben?
    Bender beugte sich nach vorn und starrte auf den Fußboden. Wie kann man anderen etwas erklären, wenn man es selbst nicht versteht, dachte er. Aber irgendwie muß es getan werden … in einer halben Stunde wird Saada hier im Zimmer stehen –
    »Saada wird zu Ihnen zurückkommen, Ali«, sagte er langsam. Der Griff an seiner Schulter verstärkte sich.
    »Doktor – was heißt das? Sie … Sie geben mir Saada zurück?«
    »Ja.«
    »O Allah!« Die Stimme Achmeds wurde laut. »Gib mir die Kraft, ihn zu töten! Er stößt meine Tochter weg, weil sie nicht weiß ist.«
    »Bei Gott, nein!« Bender sprang auf. Aber Ali hing an ihm wie eine Katze. »Das ist es nicht, glauben Sie mir!« schrie Bender und schüttelte Achmed ab. Er fiel auf das Bett, stöhnte und ballte die Fäuste. »Wenn Sie wüßten, was diese Minuten aus mir machen. Aber es ist besser, jetzt gegen sein Gefühl zu kämpfen, als später der gnadenlosen Wahrheit zu unterliegen. Ich … ich werde Cathérine heiraten –«
    »Das wollten Sie schon immer … immer …« keuchte Achmed.
    Er wälzte sich auf den Rücken und drückte beide Hände gegen die Operationswunde. »Und trotzdem haben Sie Saada –«
    »Nein! Ali, versuchen Sie doch, mich zu verstehen. Zuerst sah ich Cathérine, eine Wilde, vor der die Männer flüchteten … und ich war fasziniert von ihr. Dann sah ich in Bou Akbir das Bild einer anderen Welt, ein Zauberbild – Saada. Und ich verlor mein Herz. Was dann folgte, war wie eine grausame Marter … ich wurde zerrieben, lag zwischen den Mahlsteinen der Liebe von zwei Frauen … ich war wehrlos vor so viel Feuer und Glut.«
    »Sie haben Saada zur Frau gemacht.«
    »Ja. In einem Rausch –«
    »Und in einem Rausch werde ich Ihnen eines Tages den Kopf abschlagen.« Ali ben Achmed streckte sich, als wolle er in strammer Haltung sterben. »Wo Sie auch sein werden, ich finde Sie, Doktor. Sie können sich nicht verstecken … kein Loch ist so einsam, daß ich Sie nicht aufstöbere. Man kann die ganze Welt überblicken, wenn man haßt … und ich hasse Sie. Ein Vater haßt Sie, verstehen Sie das? Ein Vater, dem man die Tochter geschändet hat. Gibt es außer Allahs Zorn etwas Schrecklicheres? Oh, ich hasse dich!« Er ballte die Fäuste und schüttelte sie gegen Bender.
    Langsam rückwärts gehend, Schritt um Schritt, verließ Bender das Zimmer. Die bebende Gestalt auf dem Bett, das wußte er, sprach keine

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