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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihren Körper umschlossen. Ein Lächeln voll erfüllter Träume.
    Und in einer halben Stunde landete Saada in Algier.
    Warten ist eine Kunst, die nur wenige beherrschen. Warten und die Zeit arbeiten lassen, ist eine der großen Fähigkeiten der orientalischen und asiatischen Völker. Für sie ist eine Uhr nur ein tickendes Spielzeug, der Kalender eine Orientierungseinrichtung … Sklave der Zeit, auch wenn sie sichtbar verrinnt, sind sie nie. Selbst das Schicksal, von Allah oder Buddha vorbestimmt, warten sie ab … warum den Stunden weg- oder vorherlaufen? Warum sich unterordnen dem sich langsam drehenden Zeiger? Es kommt doch alles so, wie das Schicksal es entschieden hat –
    Dr. Bender war kein Orientale oder Asiate … ihm brannte die Zeit unter der Hirnschale wie ein Feuer. Als er sich bewußt wurde, daß das Wiedersehen mit Saada anders sein würde, als es sich Saada erhoffte, als er innerlich die Entscheidung getroffen hatte, die sein künftiges Leben bestimmte, eine Entscheidung, gegen die sich sein Herz wehrte, aber bei der dieses Mal der Verstand und die Vernunft stärker waren, wurde die Uhr, die vor ihm auf dem Schreibtisch des Generals tickte, zu einer Höllenmaschine.
    Er rauchte noch eine Zigarette, hastig, wie ein Süchtiger, mit zitternden Fingern, dann sprang er auf und zerdrückte den Rest in dem großen Aschenbecher.
    »Wann kann Saada in Algier landen?« fragte er heiser. Der General hob die Schultern.
    »Vielleicht in einer halben Stunde, ich sagte es schon. Dann wird sie in die Stadt gebracht … sie kann in 45 Minuten hier sein.«
    »Und sie bleibt vorerst bei Ihnen?«
    »Warum fragen Sie, docteur? Wir werden sie zunächst noch einmal verhören, – aber dann ist sie endlich wieder ein freier Mensch. Sie können Saada mitnehmen zu ihrem Vater –«
    Dr. Bender sah an dem General vorbei. Ob er bemerkt, wie feig ich bin, dachte er. Ob er mich durchschaut? Er würgte an den Worten, aber er sagte sie.
    »Ich möchte vorher noch Scheich Achmed sprechen … ich fahre sofort in die Klinik und hoffe, schon wieder zurück zu sein, bevor Saada hier eintrifft. Sollte ich später kommen –«
    »– dann grüße ich sie von Ihnen, docteur, und bitte sie, ein paar Minuten länger mein Gast zu sein.«
    »Ja, tun Sie das, General. Ich danke Ihnen –« Dr. Bender benahm sich wie ein unbeholfener Junge. Er warf beim Umdrehen den Stuhl zu Boden, stieß gegen die Schreibtischecke und verließ dann schnell das Zimmer. Der General sah ihm nach, mit einem leichten Kopfschütteln, und verständigte die Wache am Tor, daß der deutsche Arzt das Haus verlassen dürfe.
    Die Nacht in Algier ist laut und bunt. Aus Hunderten Lokalen dringt Musik, das Gewimmel auf den Straßen ist nicht anders als am Tag, nur mischen sich jetzt die Uniformen der Matrosen der zu Gast im Hafen liegenden Schiffe unter die Eingeborenen. Es ist die große Zeit der ›Tanzlokale‹, in deren Hinterzimmern die Liebe gegen klingende Dinare oder Dollars verkauft wird. Es ist die Nacht, von der man später träumt … weil man das andere Algier nicht sieht. Die Bettler, die in den Haustüren liegen, die Obdachlosen, die an der Kaimauer des Hafens schlafen, zugedeckt mit Zeitungen wie ihre Kollegen, die Clochards in Paris. Die kleinen Jungen und Mädchen, die jetzt an den Straßenecken stehen und den europäischen Besuchern Fotos mit nackten Mädchen verkaufen oder sich an sie herandrängen und flüstern: »Mister, schöne Schwester … dreizehn Jahre … für 20 Dollar … du mitkommen –«
    Wenn es Nacht wird über Algier, beginnt der große Bazar des Fleisches.
    Bender sah das alles nicht … er raste mit einem Taxi zum Militärkrankenhaus und hatte dort große Mühe, mitten in der Nacht eingelassen zu werden. Erst als er den wachhabenden Arzt kommen ließ und sich selbst als Kollege auswies, kapitulierte die resolute algerische Krankenschwester, die die Pforte hütete wie ein Höllenhund.
    Im Zimmer Scheich Achmeds brannte noch Licht. Ali saß im Bett und schlief, vor sich ein aufgeschlagenes Buch. Als die Tür klappte, wachte er aber sofort auf und schrak hoch.
    »Saada!« rief er im ersten Moment. »Meine Sonne –« Dann erkannte er Dr. Bender und ließ die ausgebreiteten Arme sinken. »Sie? Um diese Zeit?« Achmeds Augen wurden klein vor Angst. »Doktor, wenn Sie kommen, ist es immer etwas Schlechtes. Sagen Sie nicht, Saada sei etwas geschehen. Ich würde wahnsinnig –«
    »Ich komme ganz privat zu Ihnen, Ali.« Bender setzte sich auf die

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